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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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genügte, um sie aufgehen zu lassen. Gerade hatte er beschlossen, sich mitten hineinzubegeben in den Tumult, als ein Schrei in seinem Schädel ihn zusammenfahren ließ. Auch Ligur und Raar schraken auf, und als der Laut in Pherodos widerhallte und seine Konzentration zerbrach, grub er die Klaue in plötzlichem Schmerz tief in den Tisch.
    Die Menschen taumelten voreinander zurück, doch ehe Panik ausbrechen konnte, strich ein Flügelschlag über sie hin, eiskalt und tröstend zugleich. Pherodos sah, wie die Krähe auf einer steinernen Büste landete, und er meinte, ihren Blick höhnisch auf seinem Gesicht zu spüren. Erneut schlug sie mit den Schwingen. Die Menschen kamen auf die Beine, sie schüttelten über sich selbst die Köpfe, einige lachten, als wären sie gerade aus einem irrsinnigen Traum erwacht, und mit dem dritten Flügelschlag wich die Erinnerung aus ihren Gesichtern, und sie taten, als wäre nichts geschehen. Pherodos wehrte sich gegen die Kälte, die ihn beim Anblick der blutbefleckten Menschen befiel, die keinen Schmerz mehr fühlten und mit seltsam totem Blick nach ihren Krügen griffen. Doch als ein weiterer Schwall Besucher in die Absteige kam, verflog unter den Augen der Krähe auch der letzte Rest der Hitze.
    Gerade wollte Pherodos den starren Blick des Tieres erwidern und ausprobieren, ob seine Flammen dessen Gefieder zum Glänzen bringen konnten, als die Tür erneut aufgerissen wurde. Die Krähe trat von einem Bein aufs andere. Ligur setzte sich auf, selbst Raar hob leicht den Kopf, als würde er den einströmenden Lufthauch hinter seine Maske ziehen wollen. Ein Mann war hereingekommen, der sich durch die Menge schob. Er sah indisch aus, seine hüftlangen schwarzen Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden. Die grelle Kleidung stank nach Abgasen und gab den Blick auf bunte Tätowierungen auf den Unterarmen frei. An den Fingern und in den Ohren trug er goldene Ringe, und trotz der Dunkelheit saß eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern auf seiner Nase. Mehrere zerbrochene Tierfiguren hielt er in den Händen, und als er die Brille in seine Brusttasche steckte, schaute er sich sichtbar niedergeschlagen im Raum um. Pherodos verzog leicht den Mund. Ein Ausbund an Fröhlichkeit war dieser Kerl nicht gerade – und dieser Tag würde für ihn kaum besser werden.
    Mit tiefem Seufzer ließ der Fremde sich in der hintersten Ecke an einem Tisch nieder. Pherodos wartete, bis er sich einen Krug besorgt hatte. Dann stand er auf und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Raar folgte ihm so leise, dass nur sein Schatten seine Gegenwart verriet, wohingegen Ligur ihm ständig in die Hacken trat. Am liebsten hätte Pherodos ihn mit einer kräftigen Bewegung durch die Tür nach draußen befördert, aber in dem Moment hatten sie den Mann in der Ecke erreicht. Er saß da wie ein Knochensack, beide Hände um sein Glas geschlossen, und starrte missmutig auf die zerbrochenen Figuren, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Pherodos meinte, ihn etwas von Fahrgästen, besoffen und Drecksfinger bei sich behalten murmeln zu hören, aber als sein Schatten auf den Krug des Fremden fiel, unterbrach dieser seine Gedanken und schaute mit geröteten Augen zu ihm auf.
    Im ersten Moment schien der Rauch es ihm schwer zu machen, etwas zu erkennen, denn er sah von einem zum anderen und stellte offenkundige Ratlosigkeit zur Schau. Dann jedoch fiel sein Blick auf Raars Maske, und umgehend wurden seine Augen klar. Sein Körper spannte sich, beide Hände wanderten unter den Tisch, und Pherodos konnte das Metall des Messers riechen, das der Mann aus einem Lederhalfter zog.
    »Kennen wir uns?«, fragte der Fremde und deutete ein Lächeln an. Seine Stimme ließ nichts von der Furcht erahnen, die Pherodos an seinen Schläfen hinabkriechen sah. Er starrte auf ihn nieder, regungslos, wie er es am liebsten tat, und ließ die Bilder verbrennender Körper in seinen Augen aufflammen. Herrlich berechenbar fuhr der Kerl zusammen, als das Messer in seiner Hand glühend heiß wurde. Polternd fiel es zu Boden, und sein Blick flatterte wie ein verwundeter Vogel von einem zum anderen. Er spürte Raars Windstrom, der sich um seine Kehle legte, und er konnte Ligur wittern hören, gierig und mit dem Keckern im Rachen, das wie das irre Gelächter seiner Hyäne klang. Fast hilfesuchend schaute er wieder zu Pherodos, der seinen Blick noch kurz auf ihm brennen ließ. Dann beugte er sich zu ihm nieder und sagte leise: »Du stellst mir eine Frage?«
    Der Fremde

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