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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Diese Kälte war alt, älter als jeder Dämon, den Avartos kannte. Diese Kälte kam aus den Kreisen der Hölle.

7
    Das Viertel der Geister lag in düsterer Stille. Nur von ferne klang die Musik des Nachtmarktes über die verlassenen Häuser, die sich dicht zusammendrängten, als könnten sie so ihren drohenden Niedergang aufhalten.
    Schon vor einiger Zeit waren zahlreiche Bretterbuden in sich zusammengefallen und hatten unheilvolle Lücken in den Häuserreihen hinterlassen. Früher hatten in ihnen noch Menschen gelebt, aber dann war eine seltene Form der Pest in das Viertel gekommen und hatte alle Bewohner getötet. Nur mithilfe Schwarzer Alchemisten war es gelungen, die Seuche einzudämmen, und seither wollte niemand mehr an diesem Ort wohnen. Lediglich einige Geister kümmerten sich nicht um die Vergangenheit, da sie nichts kannten als den Fluch der Gegenwart. Sie hatten die Gebäude schon vor einer Weile annektiert und glitten nun als vereinzelte Schemen durch den Nebel, der aus den Häusernischen kroch. Wie ein versagender Herzschlag hallte das dumpfe Aufschlagen von Ziegeln auf dem Pflaster durch die leeren Gassen und verlieh dem Viertel die Akustik beständigen Verfalls.
    »Einen schöneren Weg zum Tor des Pharrys habt ihr wohl nicht finden können«, murmelte Kaya auf Nandos Schulter. Sie hatte sich aufgeplustert, sodass sie aussah wie ein geföhntes purpurfarbenes Entenküken, und schaute missmutig die Straße hinab.
    »Jedenfalls keinen kürzeren«, erwiderte Noemi. »Und es ist nicht mehr weit. Wenn Avartos sich dazu herablässt, pünktlich zu sein, können wir uns schon bald auf den Weg in die Oberwelt machen.«
    Kaya schnaubte, als würde dieser Gedanke sie noch weniger erfreuen als die unheimliche Stimmung ringsherum, und zog sich in die Geige zurück. Nando konnte es ihr nicht verdenken. Das Tor des Pharrys war ein Portal, das sie in die Brak’ Az’ghur bringen würde, doch der Weg durch diese Gänge war nicht ungefährlich, ganz zu schweigen von dem, was sie jenseits davon erwartete. Er drängte die Gedanken an den kalten Glanz der Engelstadt beiseite und seufzte leise. In letzter Zeit hatte es einige Situationen gegeben, in denen er sich ebenfalls ein Instrument gewünscht hätte, um darin zu verschwinden, und das nicht nur, um unheimlichen Stimmungen zu entgehen. Trotz seines heimlichen Aufbruchs hatte es sich nicht vermeiden lassen, am späten Abend von einigen seiner Gefährten Abschied zu nehmen. Zu wachsam war ein Krieger wie Salados, als dass er nicht bemerkt hätte, wie Nando ein letztes Mal durch das Kloster der Nephilim gegangen war, und zu gut kannte ihn Morpheus, als dass er ihn nicht zu einem Olyg überredet hätte, um den Abschied weniger schmerzvoll zu gestalten. Es hatte nicht sonderlich gut funktioniert. Noch immer hatte Nando Magenschmerzen von dem Getränk, und außerdem ging ihm Morpheus’ Blick nicht aus dem Sinn, in dem diese unerschütterliche Zuversicht stand, die vor allem ein Gefühl in ihm hinterließ: den Wunsch, seinen Freund nicht zu enttäuschen. Drengur war vor einigen Tagen zu einem Dunklen Heiler aufgebrochen, sodass Nando zumindest dieser Abschied erspart geblieben war, doch dafür waren Riccardo und Ilja zu ihm gekommen. Sie hatten sich mit ihm für den Nachmittag verabreden wollen wie so oft in letzter Zeit, doch Nando hatte den Kopf geschüttelt. Nein , hatte er geantwortet und den Ernst in seiner Stimme verflucht. Heute nicht. Riccardo hatte ihn angesehen und sofort verstanden. Jedes Lächeln war von seinem Gesicht gewichen, noch immer konnte Nando den Glanz in seinen Augen sehen. Ilja hatte ihn an sich gedrückt, als sie sich verabschiedeten, sie hatten kein Wort über das verloren, was sie doch wussten, aber auf ihren Zügen hatte dieselbe Sorge gestanden, die nun mit kalter Schwere in Nandos Kehle pochte: Vielleicht sehen wir uns wieder. Fröstelnd zog er die Schultern an. Er wusste nicht, wie er sich früher den Aufbruch eines Helden vorgestellt hatte, damals, als er derartige Abenteuer nur in Geschichten erlebt hatte. Aber nie hatte ihn dabei jemals ein Gefühl ergriffen wie an diesem Morgen, da er von den Klängen einer Klarinette erwacht war und Riccardos Spiel Antwort gegeben hatte. Leise waren die letzten Töne über den Dächern zerbrochen, Nando fühlte noch immer die Leere, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Trübselig warf er Noemi einen Blick zu, doch sie war schweigsam an diesem Morgen, und Kaya rumorte in der Geige herum, als würde sie sich

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