Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
mächtiger Hufe, Schwingen zerrissen die Luft, und ein keckerndes, halb wahnsinniges Lachen klang in den Häuserschluchten wider.
Nando wich das Blut aus dem Kopf. Plötzlich schien es ihm, als würde er noch einmal vor den Toren Bantoryns stehen. Er konnte die Schreie hören, die aus dem Inneren der Erde brachen, und sah die Ersten Pforten der Hölle einstürzen, um die Dämonen in die Freiheit zu entlassen. Brüllend hatte sich ihre Magie in die Nacht Bantoryns ergossen, und es war ihre Kraft, die nun als gewaltige unsichtbare Welle über Katnan hinwegflutete. Aus den Tiefen der Hölle war sie gebrochen, um ihn zu jagen, zu finden – zu töten. Und sie kam direkt auf ihn zu.
Knisternd loderte die schwarze Flamme in der Mitte der Gasse auf. Ihre Hitze trieb Nando zurück, fort von dem Brüllen, das ihn zerschmettern wollte. Die Worte brachen nun lauter aus ihrer Glut. Worte der Alten Zeit waren es, Worte der Schatten, und Nando hörte Giorgios Stimme in ihnen widerklingen. Über siebenundneunzig Ecken, so hatte dieser gesagt, war er mit dem Hexer von Babylon verwandt, einem Dämon, der über große magische Kraft und tiefes nekromantisches Wissen gebot. Die hat er an seine Nachfahren vererbt, und bei mir ist gerade noch so viel angekommen, dass ich mir auf magische Weise die Schuhe zubinden kann. Phantastisch, nicht wahr? Nando hörte Giorgio lachen wie damals, als er ihm erstmals davon erzählt hatte, doch nun trieb die Stimme seines Freundes die Dunkelheit aus den Ruinen der Häuser und schürte sie zu Schatten, die von größerer Macht kündeten, als der Taxifahrer jemals zugegeben hätte. Nando wich vor den Schemen zurück und erhob sich in die Luft. Gemeinsam mit Noemi jagte er die Gasse hinab, während Giorgios Stimme die Schatten unter ihnen aus den Häusern rasen ließ, und mit all dem Zorn und der Verzweiflung jener Wesen, die in diesen Mauern gestorben waren, stellten sie sich den Mächten der Hölle entgegen. Sie würden ihnen Zeit kaufen, und darauf kam es an. Nando spürte die Macht von Giorgios Zauber ebenso wie den Wind auf seinem Gesicht, als er über die Dächer dahinjagte. Das Tor des Pharrys war nicht mehr weit. Seine Magie würde sie in die Brak’ Az’ghur tragen, dort würden sie Zuflucht finden wie schon so oft. Sie würden in die Finsternis abtauchen und in Sicherheit sein, sobald sie …
Ein mächtiges Donnern zerriss seine Gedanken und verbrannte die Schreie der Toten zu Asche. Nando traf ein heftiger Schlag im Nacken. Er drehte sich um und sah statt der Gassen der Stadt eine brennende Wüste hinter sich, aus der ein Reiter brach – ein Reiter auf einem flammenden Pferd. Sein Oberkörper war nackt, langes schwarzes Haar fiel ihm auf die Schultern, und es war keine Wüste, über die er ritt. Es waren lebendige Menschenkörper. Ihre Schädel barsten unter den Tritten seines Pferdes, ihr Blut färbte die Flammen des Gauls rot. Der Reiter umfasste Nando mit seinem Blick, in dem nichts stand als namenlose Gewalt, und als er den Mund aufriss, brandete grausames Schlachtengebrüll aus seiner Kehle. Nando taumelte. Plötzlich prasselte kalter Regen auf ihn nieder, oder war es Blut? Er sah einen dürren Kerl auf einer fast vollständig skelettierten Hyäne aus den Schauern springen, er jagte auf ihn zu und klapperte mit den Zähnen, und mit jedem Laut schien es Nando, als würden sie sich in sein Fleisch bohren. Er schrie auf, als Noemi ihn am Arm packte, doch sofort umfing ihn lautloser Sturm, und er sah nichts mehr als flackernde Schemen, die sich zu einer Gestalt formten: Ein Maskenmann war es, der auf einem riesigen Geier ritt und mit seinem Stab auf ihn deutete, als wollte er ihm das Herz aus der Brust stoßen. Dann verschwand er, aber Nando hörte die Schwingen direkt über sich, ebenso wie die Schreie von Sterbenden, aus denen der Wind gewoben war. In tausend Sprachen sangen sie von ihren Qualen, ihre Stimmen brannten sich in seine Haut und erschufen ein Meer aus faulenden Leibern unter ihm. Menschen waren es, jemand hatte sie aneinandergenäht, sie fraßen sich gegenseitig, es wurden mehr, immer mehr, bis Nando meinte, wahnsinnig zu werden bei diesem Anblick. Im selben Moment strich namenlose Kälte über seine Stirn. Sie verwandelte das Meer unter ihm zu Asche, aus der sich eine Frau erhob. Schneeweiß war ihr Haar wie die Gischt des Nordmeeres. Sie ritt auf einem Tiger und trug nichts als Schatten am Leib. Makellos schön war sie, doch ihre Augen waren schwarz, und als sie ihn ansah,
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