Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
umfasste Noemi mit seinem Blick.
Nutze deinen Raum jenseits , rief er ihr zu und schlug nach einer Kugel, die in knisternde Funken zerbrach. Du musst deinen Frost verstärken, sonst sind die Bilder zu mächtig!
Noemi nickte unmerklich. Gleich darauf erhob sie sich in die Luft, und während Nando drei neuen Lichtern auswich und ein weiteres zu Boden schleuderte, sah er das Eis, das über ihr Haar zog, als sie in einer rasanten Drehung sieben Kugeln auf einmal zerschlug. Aber kaum dass sie wieder auf dem Boden aufkam, ballten sich über ihr neue Zauber zusammen. Nando konnte ihre Erschöpfung spüren, die Wunden machten ihr das Atmen schwer, doch als sich das Licht der heranrasenden Zauber in ihren Augen brach, war es nicht Zorn oder Schmerz, die Nando darin erkannte. Wie in Trance schlug er zwei Zauber zurück. Erst einmal hatte er diesen Ausdruck in Noemis Blick gesehen, damals auf der Ebene ohne Zeit, und als sie ihn ansah durch all das Licht hindurch, ging er noch einmal an ihrer Seite hinauf zu Silas’ Grab und schaute in das tote Gesicht ihres Bruders. Wieder fühlte er die Stille, die er selbst so gut kannte, und er wusste, dass Noemi in diesen Augenblicken erneut in ihre eigene Finsternis stürzte, eine Finsternis, der sie niemals wieder vollständig entkommen würde und die doch alles war, was ihr blieb in der Einsamkeit, in die der Tod ihres Bruders sie gerissen hatte. Er fühlte kaum die Hiebe, die drei weitere Zauber ihm versetzten, aber er hörte den Schrei, der nun aus seiner Kehle brach.
»Nein!«, brüllte er, doch schon wich jede Kälte von Noemis Zügen, und ohne sich von ihm abzuwenden, ließ sie den Stab sinken. Im nächsten Moment trafen sie die Zauber. Die Schläge waren so heftig, dass sie zusammenbrach. Atemlos schleuderte Nando seinen Stab zu Boden und lief zu ihr.
Das Feuer in den Augen der Statuen erlosch sofort, die zahllosen Kugeln zerbrachen. Leise wie Schnee sanken Funken um Nando nieder, als er neben Noemi auf die Knie fiel. Blut lief über ihre Schläfe, aber schlimmer noch war die Dunkelheit, die nun in ihren Augen stand. Wie eine Mauer erhob sie sich zwischen ihnen und rückte Noemi in so weite Ferne, dass Nando nicht sicher war, sie mit seinen Worten überhaupt erreichen zu können.
»Der Oreymon hätte dich schützen können«, sagte er eindringlich und legte einen Heilungszauber über ihre Glieder. »Warum hast du seinen Glanz nicht verstärkt?«
Noemis Blick genügte, damit er sich fühlte wie ein dummes Kind. »Seinen Glanz«, sagte sie. »Du solltest dich hören. Hast du seine Kälte nicht gespürt? Du hast sie doch kennengelernt im Saal der Königin! Fast zusammengebrochen wärest du hinterher, und du warst kalt – kalt wie Eis!«
Nando zog die Brauen zusammen. »Aber gerade diese Kälte hat mich gerettet – dort wie hier!«
»Gerettet«, erwiderte sie spöttisch. »Lass dich retten vom Licht deiner Feinde, Teufelssohn! Ich werde ihrer Lehre nicht weiter folgen als unbedingt nötig!«
Nando spürte Hitze in seine Wangen steigen. Zorn flammte in ihm auf. »Sieh dir deine Wunden an! Eben war es nötig, und du hast deine Kraft nicht genutzt!«
»Meine Kraft! Das ist nicht meine Kraft! Es ist die Kraft … «
»Ja, die Kraft der Engel«, unterbrach er sie. »Hör endlich auf, alles, was mit den Engeln zu tun hat, zu verachten!«
Noemi wich vor ihm zurück, die Schatten in ihrem Blick verboten ihm jedes weitere Wort. »Engel waren es, die unser Volk vernichten wollten«, sagte sie kaum hörbar. »Engel haben Bantoryn zerstört und meine Mutter getötet – und Silas!«
Nando senkte den Blick, als er die Bilder des Nephilim aus seinen Gedanken drängte. »Ja«, erwiderte er dann. »Und es war der Teufelssohn, in dessen Feuern dein Vater starb. Und doch vertraust du mir! Nicht alle Engel sind Mörder, nicht alle Engel hassen unser Volk, nicht alle Engel wollen uns vernichten. Avartos hilft uns, er riskiert sein Leben für uns. Er hat dich aus den Fängen der vier Reiter gerettet – dich, Noemi, nicht mich! Ihr seid euch nicht so fremd, wie du es gern hättest! Aber niemals würdest du zugeben, dass du Avartos nicht so abstoßend findest, wie du sagst, nicht einmal vor dir selbst!« Er hielt inne, als sie die Arme vor der Brust verschränkte, aber dann schüttelte er den Kopf. »Ich achte deinen Stolz, das weißt du. Aber ich kann nicht verstehen, warum du dich so gegen das Licht wehrst. Siehst du nicht, wie stark wir werden könnten? Genauso stark wie die
Weitere Kostenlose Bücher