Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
der Zerstörung von Taima und der Massenmorde in Kaera und Wasserbogen. Außerdem seid ihr angeklagt, die Morde an der Eulenweisen Jessamyn, dem Ersten der Weisen, Peredur, Falkenmagierin Alayna und Falkenmagier Jaryd geplant und ausgeführt zu haben. Man wirft euch vor, dass ihr drei euch verschworen habt, Eulenmeister Sartol ebenfalls umzubringen.«
Aus der Menge kamen erstaunte Rufe, und aufgeregte Gespräche begannen. Mehrere Bürger riefen nach der sofortigen Hinrichtung dieser drei Verräter, andere verlangten, man solle ihnen ihre Cerylle und Vögel abnehmen und sie dann der Bevölkerung ausliefern, damit rasch Gerechtigkeit geschehe. Mit einer seltsamen Gelassenheit, von der er wusste, dass sie nichts weiter war als ein Schutzwall gegen tiefere Gefühle, bemerkte Orris, dass die großen, kräftigen Diener aus der Großen Halle ihnen am Ende wohl eher als Leibwächter dienen würden denn als Gefängniswärter.
Niall, in dessen dunklen Augen ein Spur von Furcht stand, stieß mehrmals mit dem Stab auf die Brücke, um die zunehmend unruhige Menge wieder zur Ordnung zu rufen, aber der Lärm ging ungehindert weiter. Orris warf Baden einen Blick zu und sah, wie der Eulenmeister angespannt in die Menge starrte. Es war unglaublich, aber Baden grinste. Als Orris seinem Blick folgte, erkannte er warum. Zwischen den zornigen Männern und Frauen stand in einer kleinen Gruppe von Magiern Radomil und schaute zu Baden hin. Der Falkenmagier hatte heimlich die rechte Hand aufs Herz gelegt, die vier Finger gerade und aneinander gedrückt, den Daumen unter der Handfläche. Das Zeichen dafür, dass man bei den Göttern Treue schwor. Selbst nach all diesen Anklagen, und noch bevor er gehört hatte, wie und ob sie sich dagegen verteidigen konnten, hatte der Falkenmagier geschworen, ihnen zu helfen. Jaryd hatte Recht gehabt: Man konnte Radomil vertrauen. Also gestattete sich Orris nun ebenfalls ein dünnes Lächeln.
Kurze Zeit später, nachdem es ihm schließlich gelungen war, die aufgebrachte Menge wieder zu beschwichtigen, sah Niall Baden abwartend an, als wollte er dem Eulenmeister mitteilen, dass dieser nun seine Antwort auf den Katalog von Anklagen und Nialls vorherige Forderung, sich zu ergeben, abgeben könne.
Bedächtig, aber mit aufrechter Haltung und dem Schatten eines Lächelns auf den Lippen, ging Baden ein paar Schritte vorwärts und blieb vor Niall stehen. »Wir werden dir unsere Stäbe überlassen und uns in deine Obhut begeben, wie du verlangst, Eulenmeister Niall«, sagte er, und seine Stimme hallte laut über die Menge. »Aber hört mich an!«, fuhr er fort und brachte damit eine zweite Welle von Geflüster zum Versiegen. Er schien plötzlich größer geworden zu sein, als er die Versammelten nun selbstsicher anschaute. »Alle, die Zeugen unseres friedlichen Verhaltens sind, sollten wissen, dass dies auf keinen Fall ein Eingeständnis unserer Schuld bedeutet. Wir überreichen unsere Cerylle, weil wir die Gesetze achten, die den Orden und dieses Land regieren, und weil wir wissen, dass sich bei einer gerechten Verhandlung herausstellen wird, dass wir unschuldig sind. Wir wissen, wer die Verbrechen begangen hat, deren man uns bezichtigt, und bevor dieser Prozess zu Ende ist, werden die Verantwortlichen bestraft werden.« Baden schwieg nun, aber er schaute weiter in die Menge hinein, als könnte er ihnen allen gleichzeitig in die Augen sehen. Dann winkte er Trahn und Orris zu, ebenfalls nach vorn zu kommen und Niall ihre Stäbe zu überreichen. Die Menschenmenge gab keinen Laut von sich.
Orris wusste selbstverständlich, dass er nichts Falsches getan hatte. Dennoch, als er auf Niall zuging und seinen Stab übergab, spürte er jedes Augenpaar im alten Teil der Stadt auf seiner Haut brennen wie glühende Kohlen; es war, als würden ihn diese Menschen mit Worten wie Abtrünniger und Mörder brandmarken. In der Menge befanden sich Magier, Männer und Frauen, die seine Kollegen gewesen waren und bleiben würden. Am liebsten hätte er ihnen zugeschrien, was wirklich geschehen war; er wollte seine Unschuld erklären, ihnen sagen, wer diese schrecklichen Dinge tatsächlich verbrochen hatte. Aber er schwieg.
Er war nicht sicher, wie lange ihm das gelingen würde, denn das Bedürfnis aufzuschreien war sehr intensiv, aber er sah Niall nur wortlos an, als der Eulenmeister seinen Stab entgegennahm. Der ältere Mann weigerte sich, ihm in die Augen zu sehen.
Zum Glück war es relativ schnell vorüber, und die drei Magier
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