Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Schlamm und Grasbüscheln, die vor ihnen lag. In den Sommermonaten, aufgeheizt von einer glühenden Sonne und wimmelnd von Insekten, würde dieser Sumpf vielleicht ebenso bedrohlich aussehen und riechen wie der Südsumpf in Tobyn-Ser. Aber nachdem Orris und Baram die Landenge hinter sich gelassen hatten, war es wieder kälter geworden. Es gab noch keine Insekten, und der Geruch, der von dem Schlamm aufstieg, war unangenehm, aber nicht überwältigend. Es würde schwierig sein, den Sumpf zu durchqueren, und es würde sie aufhalten, aber das stellte immer noch keinen Vergleich mit der Durchquerung des Südsumpfes dar, die Orris hinter sich gebracht hatte.
Baram, der neben ihm stand, zeigte zum Horizont. Die Luft dort sah bräunlich und schwer aus, als würde etwas brennen.
Orris sah den Fremden an. »Was ist das?«, fragte er.
Baram grinste. »Bragor-Nal.« Er wandte sich dem Magier zu. »Es ist nicht mehr weit; das hier ist der Schutzsumpf. Danach sind wir im Nal.«
»Wie groß ist der Sumpf?«
Baram zuckte die Achseln. »Vielleicht zwanzig von euren Meilen. Nicht mehr.«
Orris schluckte und nickte. »Also gut. Gehen wir«, sagte er grimmig und marschierte weiter.
In den ersten beiden Tagen erwies sich der Weg sogar als einfacher, als Orris angenommen hatte. Die gewaltige Fläche dunklen Schlamms war fest genug, ihr Gewicht zu tragen, und sie wurde häufig von breiten Inseln taillenhohen Grases unterbrochen, auf denen sie gut vorankamen.
Da es nur wenig Bäume gab, bot der Sumpf allerdings kaum Schutz vor dem Wind, der kalt von Norden her wehte und die beißenden Gerüche des Nal mit sich brachte. Aber obwohl der Himmel trüb blieb, regnete es nicht mehr, und solange sie in Bewegung blieben, war ihnen warm genug.
Am dritten Tag begann der Sumpf allerdings, unangenehmer zu werden und mehr zu stinken, weniger, wie Orris begriff, wegen einer Veränderung des Wetters oder des Windes, sondern weil sie dem Nal näher kamen. Der Schlamm stank nach menschlichen Ausscheidungen, und die wenigen offenen Wasserflächen, die es gab, waren von Ölflecken bedeckt und von seltsamen, fauligen Algen durchzogen. Je näher sie der riesigen Metropole kamen, desto schlimmer wurde der Gestank und mischte sich mit anderen durchdringenden Gerüchen, die Orris nicht erkannte. Unnatürliche Farben erschienen im Schlamm: Rosa-, Blau-, Gelb- und Orangetöne, die so grell waren, dass sie zu leuchten schienen. Es ragten immer noch Gräser aus diesem Dreck, aber sie waren verkrüppelt und braun, als würden sie von der stinkenden Luft erstickt. Orris hatte das Gefühl, dass es selbst im Sommer hier keine Insekten geben würde. Der bräunliche Dunst, den sie vor ein paar Tagen aus der Ferne gesehen hatten, hing nun über ihnen, so dick und dunkel, dass Orris nicht hätte sagen können, ob der Himmel klar oder bedeckt war; es schien keine Rolle mehr zu spielen. Nachts schimmerte der Dunst Unheil verkündend von dem Licht, dass die Stadt abstrahlte, und schuf eine groteske Palette aus Gelb, Rot, Blau und selbstverständlich dem allgegenwärtigen Braun.
Am Morgen des fünften Tages konnten sie das Nal selbst am Horizont aufragen sehen, die dunklen, massiven Gebäude, zum Teil verhüllt von der trüben Luft, wie nebelverhangene Berge. Ein helleres Gebäude, höher und dünner und von etwas gestützt, was aussah wie dünne Stelzenbeine, zog sich in Biegungen und Windungen mit seltsamer Anmut um die anderen Gebäude herum, als hätte jemand das Nal mit einem weißen Band geschmückt. Wir werden bei Einbruch der Nacht dort sein, dachte Orris und schauderte leicht im Wind. Es können nicht mehr als drei oder vier Meilen sein.
Während er auf einer kleinen Insel verkrüppelten Grases stand und den dunklen Nebel betrachtete, der das Nal wie eine alte Decke umschloss, und dann über den schmutzigen Sumpf hinwegblickte, der ihn umgab, musste Orris wieder daran denken, was Baden über die Gründe der Angriffe auf Tobyn-Ser gesagt hatte. Sie hatten in Amarid an einem Ecktisch im Adlerhorst gesessen, zusammen mit Jaryd, Alayna und Trahn. Baden hatte gerade sein erstes Verhör mit Baram hinter sich gebracht, und er war erschüttert gewesen von dem, was er erfahren hatte.
»Ihre Städte - diese Nals - sind zu eng geworden«, hatte er erklärt. »Sie haben die Atemluft verschmutzt und ihr Trinkwasser verseucht. Kurz gesagt, sie suchen eine neue Heimat oder zumindest eine zusätzliche Heimat. Und wir haben genau, was sie brauchen.«
Orris hatte nie
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