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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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bezweifelt, dass Baden das richtig erkannt hatte, aber er hatte auch nie richtig begriffen, was der Eulenmeister an diesem Abend beschrieb. Tatsächlich hätte er es auch nicht begreifen können - das wurde ihm jetzt klar, als seine Umgebung förmlich auf seine Sinne eindrosch und er spürte, wie Anizir mit instinktivem Unbehagen vor diesem Anblick zurückschreckte. Nichts in Tobyn-Ser hätte ihn darauf vorbereiten können. Mehr als alles andere auf der Welt wollte er sich vom Nal abwenden und nach Hause zurückkehren. Und dennoch, als er sich nun wieder an Badens Worte erinnerte, wurde ihm nur noch deutlicher, wie wichtig seine Aufgabe war. Es war vollkommen klar, dass die Bewohner von Bragor-Nal ihre Probleme inzwischen nicht gelöst hatten - sie brauchten Tobyn-Ser immer noch. Der Gedanke daran, dass seine geliebte Heimat in so etwas verwandelt werden sollte, erzürnte ihn und stärkte seine Entschlossenheit.
    Er warf Baram einen Blick zu und stellte fest, dass der Fremde ihn bereits beobachtete, einen erwartungsvollen Ausdruck in den seltsamen hellen Augen. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber er schwieg. »Du bist beinahe zu Hause«, sagte Orris und schaute wieder zum Nal hin. »Sieht es noch so aus, wie du es in Erinnerung hast?«
    Baram wandte sich wieder den entfernten Gebäuden zu. Er schien beinahe innerlich zurückzuweichen, als befürchtete er, dass schon der Anblick des Nal ihm wehtun könnte, aber er schwieg lange Zeit. »Es sieht groß aus«, sagte er schließlich. »Ich habe es kleiner in Erinnerung.«
    Orris zeigte auf das »Band«, das auf hohen Stützen verlief. »Was ist dieses helle Ding?«, fragte er.
    Der Fremde sagte wieder etwas in seiner eigenen Sprache, dann schaute er Orris an und fügte hinzu: »Es ist eine Straße.«
    »Eine Straße«, wiederholte der Magier und fragte sich, was für eine Straße wohl so durch die Luft verlief. Irgendwie wusste er, dass er auf dieser Straße mehr als nur Pferde und Kaufmannswagen finden würde. »Eine Straße«, wiederholte er und schüttelte den Kopf.
    Baram grinste auf eine Weise, die Orris ein vages Unbehagen verursachte.
    Sie blieben noch einen Augenblick stehen, dann gingen sie weiter auf die riesige Stadt zu. Orris ließ den Fremden vorausgehen. Baram benahm sich seltsam, sah sich wiederholt um, murmelte vor sich hin und lachte manchmal laut auf. Orris traute dem Fremden im Moment nicht genug, um ihn hinter sich hergehen zu lassen; es war ihm lieber, wenn er ihn sehen konnte. Aber tatsächlich machte sich der Magier größere Sorgen wegen Anizir, die auf seiner Schulter saß. Die Unruhe, die er am vergangenen Abend schon bei ihr wahrgenommen hatte, war im Laufe des Morgens größer geworden, bis sie begonnen hatte, seine eigene Wahrnehmung zu trüben. Der Falke schien sich in sich selbst zurückzuziehen, unwillig, sich diesem fremden Land zu stellen.
    Ich brauche dich, sendete Orris und versuchte, sie aus ihrer Isolation herauszulocken. Ohne dich werde ich es nicht schaffen.
    Ihre Antwort bestand aus einem Bild eines felsigen Strandes. Brecher donnerten an die Küste und ließen hohe Gischt aufspritzen, und ein dunkler Wald aus Föhren und Schierlingstannen erhob sich in der Nähe. Es war der Ort, an dem sie sich aneinander gebunden hatten.
    Orris lächelte traurig. Ich weiß. Mir fehlt es auch. Wir werden dorthin zurückkehren, das verspreche ich dir. Aber wir haben hier etwas zu tun.
    Ein zweites Bild kam in seinen Kopf: Anizir, die den warmen Kadaver einer Wachtel zerriss.
    Orris spürte, wie ihm Angst die Brust zuschnürte, und er versuchte sofort, das Gefühl zu unterdrücken. Es wäre nicht gut, wenn Anizir erführe, wie sehr er sich fürchtete. Je schmutziger der Sumpf geworden war, desto weniger Tiere hatten sie gesehen. Orris hatte seit einem Tag keine Vögel mehr gesehen, und Anizir hatte seit beinahe zwei Tagen nichts mehr gefressen. Und Orris war nicht sicher, ob die Situation besser werden würde, wenn sie den Sumpf hinter sich hätten und das eigentlich Nal betreten würden. Er spürte, dass der Falke auf Trost wartete, und er wusste nicht, was er ihr sagen wollte. Es war nicht leicht, seinem Vogel etwas vorzumachen.
    Ich werde alles tun, was ich kann, sendete er schließlich. Wenn es hier etwas zu essen gibt, dann werden wir es finden.
    Zur Antwort knabberte der Vogel sanft an seinem Kopf. Der Magier lächelte wieder, und seine Augen trübten sich ein wenig. Du bist die tapferste Seele, die ich kenne, sagte er ihr aufrichtig.

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