Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Versammlung, als Baden in Amarids Großer Halle am Ratstisch stand, und Golivas, seine große weiße Eule, hinter ihm hockte, fühlte sich diese Zeit so lange an, dass es gut auch ein anderes Leben hätte sein können. Alle Magier im Orden sahen ihn an und warteten darauf, dass er sprach, einige mit offen feindseligen Mienen, andere kühl und gelassen. Als Baden ihnen nun in die Gesichter sah, ihre Blicke auf sich spürte, staunte er darüber, dass all der gute Wille, der ihm einmal entgegengebracht worden war, so schnell verschwunden sein konnte. Sicher, er hatte immer noch ein paar Freunde im Orden: Jaryd, Alayna und selbstverständlich Trahn, ebenso wie Sonel. Und er hatte sich das Vertrauen der anderen Magier erworben, mit denen zusammen er das Netz geschaffen hatte. Unter ihnen war, seltsam genug, sogar Orris. Aber das war alles. Den Rest hatte er abgeschreckt. Indem er sich für eine entschiedenere Reaktion auf die Gefahr ausgesprochen hatte, die von Lon-Ser ausging, hatte er die älteren Magier verärgert, die auf keinen Fall zu weit von der eher begrenzten Rolle abweichen wollten, die sie sich für die Magie bei der Regierung Tobyn-Sers vorstellen konnten. Und gleichzeitig hatte er sich auch vielen der jüngeren, aufbrausenderen Mitglieder des Ordens entfremdet, indem er sich dagegen stellte, dass sie Aktionen planten, die zu einem totalen Krieg mit Lon-Ser geführt hätten.
Seine Anstrengungen, einen Kompromiss zu finden, der vielleicht die Kluft zwischen den beiden Fraktionen überbrücken könnte, hatten ihm stattdessen die Ablehnung beider Seiten eingebracht. Wenn man noch die Feindseligkeit hinzufugte, die eine Folge seiner erfolgreichen Versuche war, Barams Hinrichtung zu verhindern, war es kein Wunder, dass ihn nun die meisten im Saal hassten. »Du hast das Wort, Eulenmeister«, sagte Sonel nun schon zum zweiten Mal. »Sprich.«
Baden zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, in seine Stimme so viel Selbstvertrauen zu legen wie möglich. »Selbstverständlich, Eulenweise. Danke.« Er sah sich um.
»Liebe Mitmagier, ich lege euch heute meinen Bericht über meine Gespräche mit Baram aus Lon-Ser vor, in der Hoffnung, dass es unsere Gespräche darüber, wie wir der Gefahr aus Lon-Ser an besten begegnen sollen, beflügeln wird.« Er ließ den Bericht geräuschvoll auf den Tisch fallen. Er war von einem Buchbinder in der Stadt, der Baden noch einen Gefallen schuldete, in dunkles Leder gebunden worden. Der Mann hatte gute Arbeit geleistet - es sah ziemlich beeindruckend aus. »Ich entschuldige mich für den Umfang«, fuhr der Eulenmeister fort und warf Trahn, der verblüfft die Brauen hochgezogen hatte, als er den Band sah, einen Blick zu. »Ich erwarte nicht, dass ihr es vollständig lest - ich habe alles im Einführungskapitel zusammengefasst, und es wird nur ein paar Minuten dauern, um meine Schlüsse und Empfehlungen durchzugehen.«
»Das scheint mir kaum notwendig, Baden«, erklang eine nur zu vertraute Stimme. Auf der anderen Seite des Tisches, nur ein paar Stühle von Sonels Ehrenplatz entfernt, erhob sich Erland in einer gewandten Bewegung. Sein Haar war so weiß wie Badens Eule, und er hatte einen kurz geschnittenen, silbergrauen Bart, aber obwohl ihn sein Platz am Tisch als eines der ältesten Mitglieder kennzeichnete, waren dies bei ihm die einzigen Anzeichen von Alter. Er war gesund und kräftig, mit rosiger Hautfarbe und durchdringenden blauen Augen. Er stand nun lässig da, die Fingerspitzen ruhten auf dem Tisch, und ein sardonisches Lächeln umspielte seine Lippen.
Niemand in diesem Saal hatte sich an Badens Verlust der Gunst der meisten Magier mehr ergötzt als Erland. Ein paar Jahre zuvor war er einfach nur ein weiterer Eulenmeister gewesen, nicht sonderlich einflussreich und sicherlich niemand, den Baden für ehrgeizig gehalten hätte. Aber nach Odinans Tod hatte sich Erland als der wichtigste Sprecher für die älteren Meister etabliert, und er hatte sich rasch als beeindruckender Vertreter ihrer Interessen erweisen. Sein Erfolg lag nicht in seinem Stil, wie es zum Beispiel bei Sartol gewesen war - Erlands Stimme war ziemlich durchschnittlich, und es fehlte ihm an der Glätte und Eleganz des abtrünnigen Eulenmeisters. Es waren eher die Bissigkeit und der Mut, die ihn so wirkungsvoll machten, seine Beherrschung von Andeutung und Übertreibung, seine Bereitschaft, beinahe alles zu sagen, um seinen Standpunkt voranzubringen. Baden hielt ihn für die gefährlichste Person im Orden, und
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