Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
hinter der ganzen Sache steckte. Welch gefährliches Spiel Melyor auch mit dem narbengesichtigen Oberlord gespielt haben mochte, es hatte mit Dobs Übernahme des Vierten ein vorläufiges Ende gefunden. Und Jibb hatte es zugelassen. Er war vielleicht sogar dafür verantwortlich. Wenn es ihm gelungen wäre, den Zauberer zu töten, wäre das vielleicht alles nicht passiert. Sicher, Melyor und der Zauberer waren anscheinend zu einer Übereinkunft gelangt, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Melyor irgendwann einmal so verzweifelt gewesen war, dass sie den Fremden hatte töten wollen und beinahe gegenüber Jibb ihre gildriitische Herkunft zugegeben hätte.
Also versuchte Jibb nicht, in einem neuen Herrschaftsbereich ein neues Leben zu führen, sondern gestattete seinen Männern im Zweiundzwanzigsten ein paar Tage Ruhe und führte sie dann wieder zum Vierten zurück und schmiedete unterwegs Pläne dafür, Melyors Bezirk zurückzuerobern. Zunächst wollte ihm nur wenig einfallen. Er war nun wieder entschlossener, aber er hatte immer noch zu wenig Leute, und er stand einem mächtigen Feind gegenüber, der sich inzwischen im Bezirk eingerichtet hatte. Seine einzige Hoffnung bestand darin, dass Cedrych seine Gardisten wieder zurückgezogen hatte, nachdem sie Dob geholfen hatten, Jibb aus dem Bezirk zu vertreiben. Gegen Cedrychs Truppen hatte Jibb kaum eine Chance. Aber wenn er gegen Dob allein stand, konnte er einigermaßen sicher sein, es zu schaffen. Das Problem bestand zunächst einmal darin, herauszufinden, was geschehen war. Wenn sie einen Fehler machten und es statt mit Dobs Leuten wieder mit Cedrychs Garde zu tun bekamen, waren er und der Rest seiner Männer so gut wie tot.
Er erhielt seine Antwort ein paar Tage nachdem er und seine Männer wieder in Cedrychs Herrschaftsbereich waren, genauer gesagt im Dritten Bezirk. Eine seiner Patrouillen, die er vorausgeschickt hatte, kehrte mit der Nachricht zurück, dass man vor ein paar Tagen den Herrscher im Goldpalast ermordet hatte und dass auch Newell und Wildon tot waren. Cedrych hatte offenbar noch mehr im Sinn gehabt als eine Veränderung im Vierten Bezirk. Jibb wusste, dass der Oberlord ein solches Wagnis kaum eingegangen wäre, wenn nicht ein volles Kontingent seiner Garde sein Hauptquartier bewachte. Cedrych hatte ganz Bragor-Nal bewusst ins Chaos gestürzt. Alle drei Herrschaftsbereiche waren nun führerlos. Nal-Lords würden überall im Nal um die Vorherrschaft kämpfen, und das zweifellos für Wochen, und jeder Gesetzesbrecher im Bezirk würde versessen darauf sein, jene Nal-Lords zu ersetzen, die zum Oberlord aufstiegen, ebenso wie die, die bei dem Versuch umgekommen waren.
Es war eine hervorragende Strategie. Während der Rest des Nal im Bürgerkrieg versank, konnte Cedrych seine Macht festigen, jenen Nal-Lords und Gesetzesbrechern helfen, denen er vertraute, und auf diese Weise auf eine lange und bequeme Herrschaftszeit hoffen. Aber so erfindungsreich Cedrychs Plan sein mochte, er war auch gefährlich. Als Junge war Jibb vom Zeitalter der Festigung fasziniert gewesen und hatte so viel wie möglich über seine Helden, Schurken und Schlachten gelesen. Man konnte dieses Zeitalter in der Geschichte von Lon-Ser nicht studieren, ohne einen gesunden Respekt für die Turbulenzen und Unwägbarkeiten von Kriegen zu entwickeln, die für beide Seiten so zerstörerisch waren. Wenn es Cedrych gelingen sollte, den Verlauf der Ereignisse weiterhin zu beherrschen, würde ihn nichts davon abhalten können, der wichtigste Herrscher von Bragor-Nal seit Dalrek zu werden, der am Ende der Festigungsära über Bragor-Nal herrschte. Aber der Oberlord würde sich gewaltig anstrengen müssen, um nicht selbst in den Strudel der Gewalt gezogen zu werden, den er geschaffen hatte.
Und das bedeutete, dass Dob auf sich allein gestellt war. Es bedeutete auch, dass Jibb und seine Männer es sich leisten konnten, in den unterirdischen Gängen ein bisschen weniger vorsichtig zu sein, und sich stattdessen darauf konzentrieren konnten, so schnell wie möglich zum Vierten zurückzugelangen. Ohne Cedrychs Hilfe würde Dob nicht genug Leute haben, um die Tunnel zu überwachen, gar nicht zu reden von einer Suche nach Jibb. Und da nun sämtliche Nal-Lords und Gesetzesbrecher der Region in Bewegung waren, würden Jibb und seine Männer viel weniger auffallen. Die allgemeineren Gefahren waren allerdings ebenso groß wie am Tag zuvor, vielleicht sogar größer. Jeder, dem sie nun begegneten, war
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