Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
gibt Dutzende solcher Gebäude auf dem Hof.« Orris war nicht sicher gewesen, was er erwarten sollte, aber nichts, was er sich hätte ausmalen können, hätte ihn auf das vorbereitet, was er dann im Gebäude sah. Es regnete, als sie hereinkamen. Nicht sonderlich heftig, es war eher ein Nieselregen. Wassertropfen fielen von den Blättern der Ahornbäume und Eichen, die über ihnen aufragten. Ein Specht trommelte in der Ferne, und ein Schwärm Häher flog laut schwatzend über sie hinweg, offenbar erschrocken über Anizirs Anwesenheit. Orris' Falke starrte die Vögel interessiert an, und sie übertrug Orris ein Bild, das die Häher nur noch mehr aufgeregt hätte, hätten sie es sehen können. Nein, Liebes, erwiderte er bedauernd. Du darfst hier nicht jagen.
Sie antwortete mit einem leisen Schrei.
»Was ist denn?«, fragte Cedrych mit einem Blick zu Anizir. »Sie hat einfach Hunger«, antwortete Orris. »Ich werde sie jagen lassen, wenn wir wieder rauskommen.«
»Sie kann gerne hier jagen. Die anderen Falken tun das auch.«
»Es gibt hier noch mehr Falken?«, fragte der Magier verblüfft, spähte zu den Baumkronen hoch und wischte sich die Regentropfen von der Stirn.
»Falken, Eulen, Füchse, sogar ein paar Wildkatzen. Dieser Wald ist so lebendig wie ein Wald in Tobyn-Ser.«
Orris warf dem Oberlord einen scharfen Blick zu, aber der lächelte nur rätselhaft.
»Bitte«, drängte Cedrych. »Lass sie jagen. Ich würde sie gerne fliegen sehen; ich bin sicher, es ist ein großartiger Anblick.« »Also gut«, meinte der Magier achselzuckend. Er übermittelte Anizir ein Bild, und der Falke flog auf und zerstreute die Häher sofort in alle Himmelsrichtungen. Dann verschwand Anizir zwischen den Bäumen. Alle starrten ihr einen Augenblick lang schweigend hinterher.
»Gehen wir weiter«, sagte Cedrych und wies auf einen Pfad, der tiefer in den Wald führte. »Es sollte nicht mehr lange regnen.«
Orris ging neben dem Oberlord, und Melyor und Gwilym folgten ihnen und unterhielten sich dabei leise in der Sprache von Lon-Ser. Lange Zeit schwiegen Orris und Cedrych.
Der Magier wusste, dass der kahlköpfige Mann ihn sehr aufmerksam beobachtete, aber Orris war zu erstaunt über alles, was er sah, als dass ihn das sonderlich interessiert hätte. Er war innerhalb eines Gebäudes und ging im Wald spazieren! Farne und Moose wuchsen am Waldboden, Eichen- und Ahornsetzlinge mischten sich mit Sassafras und Schneeball zu dichtem Unterholz, und die alten Bäume waren höher und gerader, als Orris es je für möglich gehalten hätte. Eichhörnchen tauchten hier und da zwischen den Zweigen auf, und Drosseln sangen im Verborgenen. »Das hier könnte jeder beliebige Wald in Tobyn-Ser sein, oder?«, fragte Cedrych, als sie zu einem kleinen, rasch dahinfließenden Bach kamen.
»Warst du je in Tobyn-Ser?«, fragte Orris den Oberlord und sah ihn neugierig an. »Oder nimmst du das nur an?« »Keins von beidem«, erwiderte Cedrych ungerührt. »Ich war nie dort, aber ich habe von Kaufleuten aus Abborij und von anderen viel über das Land gehört.«
Orris sah den Mann noch einen Moment länger an, bevor er sich wieder den Bäumen und den Büschen zuwandte, deren Blätter im leichten Regen glitzerten. Man konnte leicht vergessen, dass das hier kein wirklicher Wald war. Zu leicht. »Ja, ich denke, es sieht aus wie Tobyn-Ser. War das denn geplant?«
»Nein, es soll aussehen wie einer der Wälder, die es einmal hier in Lon-Ser gab.«
»Und, tut es das?«
Cedrych richtete sich auf, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengekniffen. »Das weiß ich nicht«, sagte er schließlich. »Ich habe sie nie gesehen.«
Sie gingen schweigend weiter. Orris bemerkte, dass Melyor und Gwilym aufgehört hatten, sich zu unterhalten. Er spürte, wie Anizir seinen Geist berührte, und einen Augenblick später hörte er ihren Flügelschlag. Sie landete auf seinem Arm und nahm ihre vertraute Position auf seiner Schulter ein, wo sie sich zu putzen begann. Ihr helles Brustgefieder war von winzigen Blutströpfchen befleckt, und ein kleines Fellbüschel klebte noch an ihrem gebogenen Schnabel. »Sieht aus, als hätte sie Erfolg gehabt«, bemerkte Cedrych, ein kühles Lächeln auf den Lippen.
»Das denke ich auch«, sagte Orris.
Der Regen hörte abrupt auf, und plötzlich kam es Orris so vor, als würde die Sonne durch die Wolkendecke brechen. Wieder musste er sich erinnern, dass dies alles eine von Menschen geschaffene Illusion war. Der Magier zeigte zum Himmel. »Was
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