Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
hatte es sich dank seiner Barschheit und Arroganz in den vergangenen Jahren mit vielen verdorben. Besonders die älteren Eulenmeister mochten ihn überhaupt nicht. Indem er den Fremden mitgenommen hatte, hatte Orris ihnen vielleicht genau die Ausrede geliefert, die sie brauchten, um ihn aus dem Orden auszustoßen - oder noch Schlimmeres.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Alayna und schubste ihn sachte mit dem Ellbogen.
»Nein«, antwortete Jaryd, beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Scheitel. »Tut mir Leid. Was hast du gesagt?«
»Ist nicht wichtig. Ich hebe mir die wichtigen Dinge für die Zeiten auf, wenn wir uns im Geist verbunden haben. Dann weiß ich wenigstens, dass du zuhören musst.«
Jaryd lachte und griff nach Alaynas Hand. »Ich dachte gerade an Orris«, erklärte er nach kurzem Schweigen. »Glaubst du immer noch, dass es bei der Versammlung um ihn geht?«, fragte sie mit einem Blick auf ihre Cerylle, die nebeneinander vor ihnen auf dem Boden lagen.
»Ja. Ich habe letzte Nacht wieder von ihm geträumt. Das ist jetzt das siebte Mal, seit wir von zu Hause weg sind.« Alayna seufzte. »War es eine Vision?«
»Nein«, gab er zu. »Es war wie die anderen Träume.«
»Also wissen wir nichts mit Sicherheit.«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte er. Sie hatte Recht. Keiner seiner Träume war eine Vision gewesen, also konnte er ihnen nicht viel Bedeutung zumessen. Aber obwohl nichts, was er gesehen hatte, wirklich prophetischer Natur gewesen war, kannte er sich und seine Macht zu gut, um diese Träume einfach als zufällige Bilder abzutun. Es würde bei dieser Versammlung um Orris gehen.
»Glaubst du, es geht ihm gut?«, fragte Alayna leise. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Ich würde gerne ja sagen, aber ich weiß es einfach nicht. Er ist so weit weg, und es ist ein so fremdes Land.« Er holte tief Luft, und Alayna legte den Kopf an seine Schulter. »Wenn es überhaupt jemand nach Lon-Ser und zurück schaffen kann, dann Orris«, sagte er. »Er ist stärker und mutiger als alle, denen ich je begegnet bin.«
»Das stimmt«, sagte sie leise. »Ich hoffe nur, dass das dort drüben etwas zählt.«
Sie erwachten am nächsten Morgen, als der erste Schimmer des Tageslichts den Osthimmel berührte und der Gesang von Drosseln und Rotkehlchen aus dem Wald zu ihnen emporstieg. Sie standen schnell auf, aßen etwas und waren innerhalb einer halben Stunde wieder im Sattel und auf dem letzten Abschnitt ihrer langen Reise nach Amarid.
Gegen Mittag lenkten sie ihre Pferde durch den Falkenfinderwald und kamen ganz in die Nähe der Stelle, an der Jaryd sich fünf Jahre zuvor an Ishalla gebunden hatte. Die Bilder, die der graue Falke ihm übermittelte, machten deutlich, dass auch Ishalla ihr Zuhause erkannte. Sie segelte über ihm, betrachtete den Wald ausführlich, wirbelte und schoss durch die Luft, als wäre sie zu glücklich, nach Hause gekommen zu sein, um geradeaus fliegen zu können.
Jaryd war froh, seinen Vogel so glücklich zu sehen, aber es war ihm nicht möglich, ihr Entzücken zu teilen. Wieder einmal war sein Schlaf von Bildern von Orris und dem finsteren, fremden Land heimgesucht worden, zu dem der blonde Falkenmagier gereist war. Und mit jeder Meile, die er und Alayna an diesem Morgen zurücklegten, wuchsen Jaryds Bedenken wegen der Versammlung.
Aber erst, als er und Alayna die Stadt selbst erreichten, begriff er, wie ernst die Situation war. Der Himmel, der den ganzen Morgen klar gewesen war, bewölkte sich nun, und ein schneidender Wind pfiff an den Häusern und Läden des alten Stadtkerns entlang. Jaryd und Alayna hatten ihre Pferde im Stall eines Schmieds gelassen, der schon vor Jahren zugestimmt hatte, sich um ihre Pferde zu kümmern, wenn sie im Austausch dafür taten, was sie für ihn tun konnten - Heilen, Holz reparieren, und einmal, in einem besonders feuchten Sommer, hatten sie sogar geholfen, sein Schmiedefeuer zu entzünden -, und nun gingen sie durch die Straßen und Gassen zum Adlerhorst, dem Gasthaus, in dem sie immer übernachteten, wenn sie in der Stadt des Ersten Magiers waren. Kaum hatten sie das Gasthaus mit seinen vertrauten Gerüchen nach Braten, Pfeifenrauch und Wein betreten, wurden die beiden Magier auch schon von Trahn begrüßt, der allein an einem kleinen Tisch nahe der Tür gesessen hatte.
Die dunkelhäutige Magier lächelte, als er sie umarmte, aber das Lächeln erreichte nicht seine leuchtend grünen Augen. »Ich freue mich, euch beide zu sehen«, sagte er
Weitere Kostenlose Bücher