Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
zugewandt, den Kopf leicht gesenkt, und hielt seinen Stab fest umklammert. Sein Falke saß vollkommen reglos auf seiner Schulter, und selbst der Wind, der über die Ebene fegte, zerzauste weder die Federn des Vogels noch das Haar des Magiers.
Tammen hielt die Luft an. Wenn Sartol ihnen nicht helfen würde, dann wusste sie nicht, was sie noch tun sollte. »Also gut«, sagte er schließlich und wandte sich ihnen wieder zu. »Ich werde euch helfen.«
»Danke, Eulenmeister«, sagte sie und die Erleichterung fühlte sich an wie ein kühler Wind an einem Sommernachmittag. »Ich wusste, du würdest uns nicht im Stich lassen.« »Ich bin froh, etwas zu eurer Bewegung beitragen zu können, meine Liebe. Was für eine bessere Möglichkeit gäbe es für mich, die Macht zu nutzen, die ich immer noch besitze?«
»Wie wirst du uns helfen können?«, fragte Henryk.
Sartol runzelte die Stirn, als verwundere ihn die Frage. »Selbstverständlich auf jede Weise, die mir möglich ist.« »Das habe ich nicht gemeint. Peredur sagte, die Möglichkeiten der Unbehausten, auf die Welt der Lebenden einzuwirken, seien beschränkt, und das wenige, was sie tun könnten, müssten sie gemeinsam tun, mit der Zustimmung aller. Er deutete sogar an, dass eine solche Zusammenarbeit unter denen von deiner Art unmöglich geworden ist, seit du dich zu ihnen gesellt hast.«
»Peredur ist ein Dummkopf«, erklärte Sartol verärgert. »Und wie ich zuvor sagte, er war nie sonderlich schlau oder kreativ.«
»Du kannst uns also helfen?«, fragte Tammen.
»Ja.«
Sie sah Nodin an und lächelte triumphierend. »Ich wusste es!«
»Ich brauche allerdings auch eure Hilfe«, fügte der Geist hinzu.
Tammen sah ihn an. »Wie meinst du das?«
»Peredur hat zum Teil Recht. Ich kann meine Macht nicht so einsetzen, wie ich es als Lebender konnte. Es ist nicht so einfach.«
»Aber du hast doch gesagt -«
Er lächelte entwaffnend. »Ich habe gesagt, ich würde euch helfen, meine Liebe, und das werde ich tun. Aber ich bin kein Magier mehr. Ich bin ein Unbehauster, und die von meiner Art sind nicht nur durch Therons Fluch eingeschränkt, sondern auch schlicht durch das Wesen der Magie.«
»Was brauchst du also von uns?«
Sartols Lächeln wurde breiter. »Eigentlich nur eine Kleinigkeit, nichts weiter.«
Nodin hatte plötzlich das Gefühl, als stünde seine ganze Welt auf Messers Schneide. Er beobachtete den Geist intensiv und wartete darauf, dass er Tammens Frage beantwortete. Er konnte sehen, dass Sartol innerlich mit etwas kämpfte. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, um was es ging. Aber dann wusste er es. Der Geist kämpfte gegen das Bedürfnis zu lachen an, gegen eine Welle von Heiterkeit. Nodin spürte, wie ihm eiskalt wurde, als wäre ihm einer der Unbehausten mit dem Finger über den Rücken gefahren. Er wollte Tammen warnen. Er wollte sie packen und wegzerren. Aber er wusste, es war zu spät. Sie hatten eine Lawine von Ereignissen ausgelöst, und er hatte keine Ahnung, wie sie sie aufhalten sollten. Er konnte nur zusehen und zuhören und hoffen, dass Tammen erkennen würde, welchen Fehler sie gemacht hatte.
Der Geist hatte immer noch dasselbe wohlwollende Lächeln auf den Lippen, und nun machte er einen Schritt vorwärts. Er kam nur ein kleines Stück näher, aber Nodin spürte plötzlich das Bedürfnis zurückzuweichen.
»Ich brauche Zugang zu deinem Ceryll«, sagte Sartol. Tammen starrte ihn an, als glaube sie nicht so recht, was sie da gehört hatte. »Mein Ceryll?«
»Ja.«
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte Henryk. »Du kannst doch nicht erwarten, dass wir dir gestatten, unsere Cerylle zu benutzen!«
Das Lächeln des Geistes verschwand. »Ich erwarte es tatsächlich. Ihr seid hierher gekommen, weil ihr meine Hilfe wollt, und ich helfe euch gern. Aber ich kann wenig tun, ohne dass ihr mir im Gegenzug behilflich seid. Wie ich euch erst einen Augenblick zuvor sagte, ist meine Macht eingeschränkt. Wenn ihr wollt, dass ich euch helfe, müsst ihr zunächst einmal mir helfen, damit wir Grenzen überschreiten können, die der Fluch mir auferlegt.« Er sah alle drei ernst an. »Und außerdem«, fuhr er fort, »wieso sollte ich euch vertrauen, wenn ihr mir so wenig vertraut?«
Henryk starrte ihn an. »Wie bitte? Du willst uns glauben machen, dass unser Mangel an Vertrauen dich kränkt?« »Das reicht jetzt, Henryk!«, sagte Tammen. Sie wandte sich Sartol zu und holte tief Luft. »Was genau hast du gemeint, als du sagtest, du brauchtest Zugang
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