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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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den plötzlichen Schmerz in seinem Herzen zu ignorieren. »Ich verstehe sogar warum. Aber Henryk und ich können nicht einfach alles andere ignorieren, was wir über ihn wissen. Er hat Peredur und Jessamyn getötet, und er hat den Fremden geholfen. Kannst du uns wirklich übel nehmen, dass wir vorsichtig sind?« Ihre Blicke begegneten einander, und Nodin konnte kaum mehr atmen. Ich liebe dich, wollte er sagen. Ich will dich nicht verlieren. Aber er schwieg und wartete.
    »Nein«, sagte sie schließlich. »Ich nehme es euch nicht übel. Aber ich weiß, dass ihr euch irrt, was ihn angeht, dass die Dinge, die der Orden über ihn sagt, nicht der Wahrheit entsprechen. Und selbst wenn ihr euch nicht überwinden könnt, seine Hilfe anzunehmen - ich kann es.«
    Damit drehte sie sich um, als wollte sie zu Sartol zurückkehren.
    »Tammen, nein!«, sagte Nodin und packte sie am Arm.
    Sie sah seine Hand an, und ihre Miene wurde hart. »Lass mich los!«
    »Nein. Ich werde nicht zulassen, dass du das tust.« Sie schnaubte. »Du wirst es nicht zulassen? Was bildest du dir ein? Eine gemeinsame Nacht macht dich nicht zu meinem Mann oder meinem Herrn! Du kannst mich von überhaupt nichts abhalten!«
    Nodin spürte, wie er rot wurde. Plötzlich war er sich intensiv Henryks Anwesenheit bewusst. Er schloss die Augen. »Tammen-«
    »Nein!«, sagte sie und riss sich los. »Ich gehe! Ihr beiden könnt tun, was ihr wollt.«
    Sie ging weiter, aber Nodin folgte ihr. Sie fuhr herum und richtete den Stab auf ihn, ließ ihren blauen Ceryll bedrohlich glühen. »Tu das nicht, Nodin! Ich lasse mich von dir nicht aufhalten, also solltest du mich lieber gehen lassen.« Er sah, dass ihre Hände zitterten, aber nicht mehr als seine eigenen. Schließlich breitete er hilflos die Arme aus, nickte und verfluchte die einzelne Träne, die ihm über die Wange lief.
    Sie hatte sie offenbar bemerkt, denn einen Augenblick später lächelte sie traurig. Nodin glaubte, vielleicht sogar Tränen in ihren Augen entdeckt zu haben. Es war schwer zu sagen. Aber sie sah ihn nur kurz an und dann flüsterte sie: »Es tut mir Leid.« Sie sprach so leise; wenn er nicht ihre Lippenbewegung gesehen hätte, hätte er geglaubt, dass es nur der Wind war, der über das Gras der Ebene wehte. Dann drehte Tammen sich um und ging abermals auf die Dorfruinen zu, wo sie Sartol zurückgelassen hatten.
    Nodin sah ihr nach und hatte das Gefühl, als kniete jemand auf seiner Brust. Ich liebe dich.
    »Und wir lassen das einfach zu?«, wollte Henryk wissen. »Wir lassen einfach zu, dass sie ihm ihren Ceryll gibt?« »Was sollen wir denn tun?«, antwortete Nodin leise. »Es ist ihr Leben. Wir können sie nicht davon abhalten, wenn sie es wirklich tun will.«
    »Da irrst du dich!«, sagte Henryk so leidenschaftlich, dass Nodin sich erstaunt zu ihm umdrehte. »Es mag ihr Leben sein, Nodin, aber sie gibt Sartol Zugang zu ihrem Ceryll, und damit gefährdet sie jeden einzelnen Menschen in Tobyn-Ser!«
    Er hatte Recht. Nodin wusste das sofort. »Aber wie sollen wir sie aufhalten?«
    »Auf jede erdenkliche Weise.«
    »Ich kann ihr nicht wehtun, Henryk. Und ich kann auch nicht zulassen, dass du es tust. Verstehst du das?«
    Henryk wandte sich ab, aber er nickte. »Wir müssen eine andere Möglichkeit finden.«
    Einen Augenblick später rannten sie durchs Gras hinter Tammen her, zurück zu der Stelle, wo sie Sartols Geist begegnet waren. Aber sie waren noch nicht sehr weit gekommen - nicht annähernd so weit, wie sie sollten -, als sie die schimmernde Gestalt des Eulenmeisters sahen. Tammen hatte ihn bereits erreicht.
    »Ich dachte, wir wären viel weiter von ihm weggegangen«, sagte Nodin.
    Henryk rang nach Atem und versuchte Nodin, der längere Beine hatte, einzuholen. »Das stimmt auch«, sagte er. »Sartol muss uns gefolgt sein.«
    Sie rannten weiter, so schnell sie konnten. Aber irgendwie wusste Nodin, dass sie den Geist nicht rechtzeitig erreichen würden.
    Und als wollte er ihm Recht geben, ging Sartol genau in diesem Augenblick auf die junge Frau zu und streckte die Hände nach ihrem Ceryll aus.
    »Nein!«, rief Nodin.
    Aber es war zu spät. Im nächsten Augenblick blitzte gelbes Licht auf der Ebene auf, als hätte sich die Sonne selbst vom Himmel gelöst und wäre vor ihnen gelandet. Nodin und Henryk blieben stehen und schirmten die Augen ab. Als sie wieder hinsehen konnten, war der Geist verschwunden. Tammen stand allein in dem verlassenen Dorf. Ihr großer brauner Falke war nirgendwo zu

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