Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
sich nähernden Magiers schickte. Orris bemerkte eine gewisse Anspannung in den Gedanken des Falken, aber keine Panik. Der Magier fragte sich manchmal, ob ihr diese Begegnungen nicht sogar Spaß machten.
Wieder schloss er die Augen, tastete im Geist nach Kryssan und sah sich den Magier ein zweites Mal an. Es war ein Mann, bärtig und schlank, mit jugendlichen Zügen. Er hatte einen meergrünen Ceryll und wurde von einem kleinen grauen Waldfalken begleitet. Orris kannte ihn nicht, wusste aber dank des blauen Umhangs des Fremden, dass er ein Magier der Liga und damit ein Feind war. Er sah der Haltung des anderen - den Stab vor sich ausgestreckt, leicht geduckt - und seinen vorsichtigen Bewegungen an, dass der Mann kampfbereit war. Dieser Magier wusste, dass Orris hier war.
Orris öffnete die Augen und schaute rasch zum Feuer hin. Es war so weit niedergebrannt, dass kaum mehr als ein paar glühende Holzkohlenreste übrig waren, die in der Stille des nächtlichen Waldes laut knackten. Dennoch würde dieses Glühen einem potenziellen Angreifer im Dunkeln genügend Licht liefern. Und die dünne graue Rauchfahne, die sich vom Feuer erhob und zurück zur Ebene und in Richtung Waldblick geweht wurde, konnte leicht dazu dienen, einen Feind direkt zu Orris zu führen.
Der Falkenmagier verfluchte sich für seine Dummheit und dachte gerade daran, die Reste des Feuers zu löschen, als er bereits die Schritte des Fremden hörte. Der Mann war schon ganz in der Nähe; Orris blieb keine Zeit mehr zur Flucht. Kryssan flatterte abwärts und hockte sich neben ihn, und der Magier tat das Einzige, was ihm noch blieb: Er kroch in den Schatten auf der anderen Seite der kleinen Lichtung und wartete darauf, dass der Ligamagier in Sicht kam.
Er hockte sich hinter einem umgestürzten Baum in ein Gebüsch aus kahlen Ranken und Zweigen. Er konnte bereits sehen, wie das meergrüne Licht des Cerylls die Dunkelheit durchdrang, wie sich die träge Sommerflut dem dunklen Sand des Oberen Horns nähert. Er hielt den Atem an und regte sich nicht. Wieder tastete er im Geist nach Kryssan, um sie darauf vorzubereiten, was er vorhatte, und abermals spürte er die Kampfbereitschaft, die er schon wahrgenommen hatte, als sie ihn weckte.
Hasst du sie denn so?, fragte er in leicht tadelndem Ton. Sie knabberte sanft an seinem Haar, und Orris erlaubte sich ein kurzes Lächeln.
Dann sah er den jungen Fremden, der ihn töten wollte, und seine Stimmung verfinsterte sich. Der Vogel des Mannes saß auf seiner Schulter, und einen Augenblick lang dachte Orris daran, Anizir zu rächen. Es wäre so einfach gewesen.
»Ich habe einen Schwur abgelegt«, erinnerte er sich. Erst als der Mann erstarrte und sich hektisch umsah, begriff Orris, dass er laut gesprochen hatte. Bevor sein Möchtegern-Angreifer etwas unternehmen konnte, enthüllte Orris für einen kurzen Moment seinen Ceryll und ließ einen rötlich gelben Blitz über den Kopf des Fremden hinwegfegen. Der Mann warf sich zu Boden, und sein grauer Falke flatterte in einen nahe gelegenen Baum und schrie. Einen Augenblick später erwiderte der Magier das Feuer in Orris' Richtung, verfehlte ihn aber um ein gutes Stück. Orris grinste. Dieser Fremde war das Kämpfen nicht gewöhnt.
»Willst du denn unbedingt sterben, Magier?«, rief Orris laut.
Ein weiterer meergrüner Blitz krachte in einen Baumstamm, diesmal ein wenig näher, und Orris duckte sich ein bisschen tiefer.
»Ich sehe deinen kleinen Falken, Magier«, höhnte Orris. »Soll ich ihn jetzt töten?«
Diesmal antwortete kein magisches Feuer, aber der Falke flatterte höher in den Baum hinauf, und zwar auf die andere Seite des Stamms, worauf Orris gehofft hatte. Solange der Vogel sich selbst versteckte, konnte er seinem Magier keine Informationen hinsichtlich Orris' Position übermitteln.
»Komm schon, Freund«, rief Orris. »Du willst doch sicher nicht hier sterben, weit weg von zu Hause und -« Zwei weitere Blitze zuckten durch die Dunkelheit, und einer davon streifte tatsächlich den Baumstamm, hinter dem sich Orris versteckt hatte. Er zog sich ein wenig tiefer ins Unterholz zurück. Vielleicht war der Fremde ja doch nicht so dumm und unerfahren, wie er zu Anfang gewirkt hatte.
»Ich habe keine Angst zu sterben!«, erwiderte der Mann verächtlich. »Zumindest nicht im Kampf mit dir. Die Kunde von deiner Feigheit hat sich überall im Land verbreitet, du jämmerlicher Ersatz für einen Magier! Und wenn man von deinem ersten Versuch ausgeht, mich
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