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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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mitfühlender geworden. Aber er wusste auch, dass noch mehr dahinter steckte. Sein Ceryll hatte immer noch einen Bernsteinton, aber er war ein wenig rötlicher. Es kam ihm beinahe so vor, als wäre ein wenig von dem Rot von Melyors Stein in seinen geflossen. Wieder lächelte er. Er war nicht ganz sicher, was das bedeutete, aber es gefiel ihm.
    Er zog weiter nach Norden, während sich die Dunkelheit über die Ebene ausbreitete und die Sternbilder am Nachthimmel ausgeprägter hervortraten. In der Ferne, ein Stück westlich von ihm, tauchte ein Dorf auf. Die kleinen Häuser schimmerten warm vom Licht der Kerzen und der Herdfeuer, aber Orris änderte seinen Kurs nicht. Er war schon einmal hier gewesen. Das da war Waldblick, und es war ein Dorf der Liga.
    Beim Anblick der Lichter spürte Orris, wie er sich anspannte. Er packte seinen Stab fester und sah sich immer wieder um, um sich davon zu überzeugen, dass man ihm nicht folgte. Kryssan, die über ihm dahinglitt, schien seinen Stimmungswechsel zu spüren und flatterte höher, so dass sie sich besser umsehen konnte. Er blickte zu dem weißen Falken auf und nickte grimmig. Hier auf der Ebene würde man sie wohl kaum überraschen können. Sobald sie aber Tobyns Wald erreicht hätten, wären sie leichter anzugreifen; allerdings waren er und sein Falke schon zuvor an Orten gewesen, wo man ihnen nicht freundlich gesinnt war. Sie waren durchaus im Stande, auf sich aufzupassen.
    Manchmal hatte er genug davon, zu leben wie ein Heerführer aus Abborij und jedes Mal auf einen Kampf vorbereitet sein zu müssen, wenn er eine neue Ortschaft betrat oder sich in unvertrautes Gelände wagte. Aber inzwischen war er daran gewöhnt, und wenn man bedachte, wie oft ein wenig Voraussicht ihm das Leben gerettet hatte, schien dies ein geringer Preis zu sein. Dennoch hatte er einmal den Fehler gemacht, sich in einem Brief an Melyor darüber zu beschweren. Sie hatte recht mitleidlos reagiert und darauf hingewiesen, dass sie selbst ein ganz ähnliches Leben geführt hatte, seit sie mit fünfzehn zur Gesetzesbrecherin geworden war. »So ist es nun mal in Bragor-Nal«, erinnerte sie ihn. »Wenn du in Tobyn-Ser nicht leben kannst, ist es vielleicht an der Zeit, nach Lon-Ser und zu mir zurückzukehren.« Er hatte sich nicht wieder beschwert, und sie hatte auch nie wieder darüber gesprochen, dass er zu ihr nach Bragor-Nal kommen sollte.
    Orris und Kryssan umgingen Waldblick und erreichten bald den Rand von Tobyns Wald. Das sanfte Licht des Mondes hatte genügt, um ihnen die letzte Meile Weg auf der Ebene zu beleuchten, aber als sie nun in die dräuenden Schatten des Waldes kamen, war Orris gezwungen, seinen Ceryll heller leuchten zu lassen. Er tat das nur ungern, denn er wusste, dass er sich damit jedem, der sich in Sichtweite befand, deutlich ankündigte. Die einzige andere Möglichkeit bestand allerdings darin, die Nacht auf der Ebene zu verbringen, wo sie wegen der Kälte ein Feuer hätten entzünden müssen. Zumindest bot der Wald Schutz vor dem Wind und eine Gelegenheit, sich unauffällig zurückzuziehen.
    Sie drangen ein ganzes Stück weit in den Wald ein und hielten erst inne, als Orris die Lichter des kleinen Dorfs Waldblick nicht mehr sehen konnte. Selbst nun war er jedoch vorsichtig genug, eine kleine Senke zu suchen, um darin sein Lager aufzuschlagen und ein kleines Feuer zu machen. Kryssan ließ sich auf einem Ast weit oben nieder, der ihr Aussicht auf die Senke und deren Umgebung bot, und sie begann sich zu putzen. Orris sammelte Holz, entzündete sein Feuer und lehnte sich an den Stamm einer riesigen Eiche, um in Ruhe ein wenig von dem Rauchfleisch und dem Trockenobst zu essen, das er in einer Tasche seines Umhangs hatte.
    Er hatte schon früher am Tag einen fetten Fasan gegessen, den sein Falke ihm gebracht hatte, also biss er nur ein paarmal von dem Fleisch ab, bevor er es wieder wegsteckte. Er dachte kurz daran, an seinem neuesten Brief an Melyor weiterzuarbeiten, aber er war so müde, dass er beschloss, das aufzuschieben. Stattdessen legte er sich den Stab quer über die Beine, wo er ihn schnell packen konnte, und lehnte sich mit geschlossenen Augen wieder an den Baumstamm. Als er noch jünger war, hätte er so nicht schlafen können, aber wie in so vielen anderen Dingen hatte ihn sein Leben gezwungen, sich diesen Umständen anzupassen.
    Er musste wohl ziemlich schnell eingeschlafen sein, denn als Nächstes bemerkte er, dass Kryssan ihn lautlos weckte, indem sie ihm das Bild eines

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