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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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gesamte System aus und schuf auf jeder Ebene der Nal-Hierarchie Gelegenheiten für ein paar Glückliche.
    Aber Melyor glaubte, dass dies nur ein Grund für die Anschläge auf ihr Leben war. Sie war mehr als nur Herrscherin von Bragor-Nal. Sie war auch Steinträgerin und die erste bekennende Gildriitin in der Geschichte des Nal, die es zu irgendeiner Autoritätsposition gebracht hatte, vom Goldpalast gar nicht zu reden. Wegen ihres Blicks - der Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen - waren die Gildriiten seit tausend Jahren verfolgt worden. Und als prominenteste und mächtigste Gildriitin in ganz Lon-Ser wurde Melyor unwillkürlich zu einem Ziel für die Angst und den Hass, die die Gildriiten in ihrer Geschichte immer wieder ausgelöst hatten.
    »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte Jibb und sah sie forschend an.
    Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, danke.«
    »Wir werden herausfinden, wer hinter diesen Anschlägen steckt, Herrscherin«, sagte er vollkommen überzeugt. »Ich gebe dir mein Wort. Premel arbeitet bereits daran, und mit den zusätzlichen Beweisen, die dieser Anschlag liefert, wird er sicher bald etwas zu Tage fördern.«
    »Daran zweifele ich nicht«, erwiderte Melyor.
    »Aber du bist beunruhigt.«
    Sie lächelte und ignorierte einen weiteren Schauder. »Nun, das war nicht die angenehmste Art aufzuwachen.« »Selbstverständlich nicht, Herrscherin.« Er wandte den Blick ab. »Du möchtest wahrscheinlich allein sein. Ich werde jetzt gehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint, Jibb -« »Schon gut. Ich sollte mich ohnehin um die Ausräumungsarbeiten kümmern. Ich will nicht, dass irgendetwas übersehen wird, was Premel helfen könnte.«
    Melyor holte tief Luft und nickte.
    »Lass es uns wissen, wenn du irgendetwas brauchst, Herrscherin.«
    Herrscherin! Warum sprichst du mich nicht mehr mit »Melyor« an?, hätte sie gerne gesagt. Du bist mein bester Freund! Stattdessen nickte sie nur ein zweites Mal. »Das werde ich tun.«
    Er drehte sich um und ging und schloss die Tür hinter sich. Melyor nahm die Hände aus den Taschen und fuhr sich durchs Haar. Der Rauch hatte sich ein wenig verzogen, und nur ein feiner grauer Dunst war zurückgeblieben, aber ihr Zimmer sah aus wie eine Bar am Morgen nach einem Feuergefecht. Es würde eine Zeit lang dauern, um aufzuräumen und die Fenster zu ersetzen. Das brauchte sie selbstverständlich nicht zu kümmern; eine Herrscherin hatte Kämmerer, die sich solcher Dinge annahmen. Aber es bedeutete, dass ihr Schlafzimmer und das angrenzende Arbeitszimmer bis zum Abend unzugänglich sein würden.
    Sie ging zu dem kleinen Waschbecken neben ihrem Bett, wischte die Glassplitter vom Rand und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Das Wasser brannte in dem Schnitt an ihrer Wange, aber danach ging es ihr besser, so sehr, dass sie zu einem Entschluss kam. Sie zog den Morgenmantel aus und kleidete sich rasch an. Herrscher von Bragor-Nal sollten eigentlich das goldene Gewand tragen; das war ebenso sehr ein Zeichen der Stellung des Herrschers wie der Palast selbst. Aber Melyor hatte sich nie in etwas anderem als in ihren weiten schwarzen Hosen und dem elfenbeinfarbenen Hemd wohl gefühlt, und daher trug sie diese Kleidung weiterhin, ebenso wie den an den Oberschenkel geschnallten Werfer, selbst zu den Sitzungen des Herrscherrats. Marar, der Herrscher von Stib-Nal, Bragor-Nals unbedeutendem südlichem Nachbarn, hatte deutlich gemacht, dass er dies für würdelos und beleidigend hielt. Selbst Herrscherin Shivohn von Oerella-Nal, die bei den Ereignissen, die schließlich zu Melyors und Orris' Kampf mit Cedrych geführt hatten, eine wichtige Rolle gespielt hatte, hatte häufig ernster, als es unter einem Lächeln zu verbergen war, angemerkt, Melyor sähe eher wie ein Nal-Lord als wie eine Herrscherin aus.
    Melyor interessierte selbstverständlich wenig, was ihre Mitherrscher von ihrer Aufmachung hielten. Sie war eine Gildriitin, eine Steinträgerin - man erwartete ohnehin von ihr, anders zu sein. Aber darüber hinaus herrschte sie auch über ein Nal, das für seine Gesetzesbrecher und Feuergefechte berüchtigt war. Es gehörte sich einfach nicht für die erste Frau in der Geschichte dieses Nal, die hier die höchste Stellung erreicht hatten, ihren Werfer zu Hause zu lassen und ein hübsches Gewand anzuziehen.
    Sie schnallte sich den Werfer um, griff nach ihrem Stab und ging dann nach draußen, wo Jibb und seine Männer den Schaden, den die

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