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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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als ein Kratzer mit einem kleinen Blutfleck darunter. Sie holte tief Luft und bemerkte, dass sie zitterte.
    Es klopfte an der Tür.
    »Herein!«, sagte sie und steckte die zitternden Hände in die Taschen des Mantels.
    Die Tür ging auf, und Jibb kam herein. Melyor fand es immer noch seltsam, ihn in der steifen, hellblauen Uniform der SiHerr zu sehen, obwohl er nun schon seit beinahe sieben Jahren General ihrer Sicherheitskräfte war. Für sie war er immer noch der Gesetzesbrecher von früher, ebenso, wie sie sich immer noch als Nal-Lord betrachtete, nicht als Herrscherin und Steinträgerin. Es half auch nicht gerade, dass er in so mancher Hinsicht immer noch aussah wie vor mehr als zehn Jahren, als sie ihn in einer Bar im Vierten Bezirk zum ersten Mal gesehen hatte. Er war immer noch kräftig gebaut und bewegte sich nach wie vor anmutig. Sein lockiges Haar war dunkel geblieben, ohne eine Spur von dem Silber, das sich bereits durch ihre eigenen bernsteinfarbenen Locken zog, und sein Gesicht war immer noch rund und jungenhaft. Er war zurückhaltender als früher und vielleicht ein wenig vorsichtiger geworden. Aber das hatte ebenso viel mit den Veränderungen in ihrer Beziehung wie mit der Zeit zu tun, die vergangen war. In anderer Hinsicht war er immer noch derselbe, nur dass er jetzt nicht nur für Melyors Sicherheit verantwortlich war, sondern auch für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im gesamten Nal.
    »Herrscherin!«, sagte er, betrat das Zimmer und schaute zu ihrem Bett. Er blieb stehen, als er bemerkte, dass sie nicht dort war, und sah sich rasch um. Seine Augen wurden ein wenig größer, als er sie schließlich entdeckte. »Du bist verletzt!«, sagte er und kam eilig auf sie zu.
    »Das ist unwichtig. Was ist passiert, Jibb?«
    »Wir sollten einen Arzt holen«, drängte er. »Du blutest.« Sie lachte, aber sie behielt die Hände weiter in den Taschen und musste gegen ein Schaudern ankämpfen, das ihr über den Rücken lief. Wie viele Attentatsversuche konnte sie noch überleben? »Es ist alles in Ordnung, Jibb. Sag mir einfach, was passiert ist.«
    Er starrte sie noch einen Moment lang an, dann schüttelte er schließlich den Kopf, mit dieser resignierten Miene, die Melyor nur allzu gut kannte. Noch vor ein paar Jahren hätte sie ihn geneckt und ihn vergnügt daraufhingewiesen, dass er sich nur langweilen und sich eine andere Aufgabe suchen würde, wenn sie ihm seine Arbeit zu leicht machte. Damals waren sie Freunde gewesen.
    All das hatte sich vor ein paar Jahren verändert, als Jibb schließlich zugegeben hatte, dass er sie liebte, und sie gebeten hatte, ihn zu heiraten. Sie waren damals im Garten des Goldpalastes spazieren gegangen und hatten die kühle Brise eines frühherbstlichen Abends genossen. Zunächst hatte Melyor geglaubt, Jibb macht Witze, aber als ihre scherzhafte Antwort auf Schweigen stieß und sie seinen gequälten Blick bemerkte, begriff sie, dass sie sich geirrt hatte. Sie kämpfte gegen eine Welle von Panik an und versuchte ihm zu erklären, dass sie ihn nicht auf diese Weise liebte und nicht glaube, das jemals tun zu können. »Du bist mein bester Freund«, sagte sie. »Aber das ist alles, was ich dir geben kann.«
    Jibb jedoch hatte sich nicht von seinem Ziel abbringen lassen. Er hatte versucht, sie davon zu überzeugen, dass sich ihre Gefühle mit der Zeit verändern würden. Am Ende war ihr keine andere Möglichkeit geblieben, als ihm etwas zu sagen, wovon sie wusste, dass es ihn ungemein kränken würde, auch wenn es dazu führte, dass er die Angelegenheit schließlich begrub.
    »Ich kann dich nicht lieben«, sagte sie also, und sie war überrascht festzustellen, dass sie weinte. »Ich liebe einen anderen. Ich liebe Orris.«
    Jibb hatte sie lange Zeit angestarrt und sich kaum geregt. Schließlich hatte er genickt und war davongegangen.
    Melyor hatte befürchtet, dass er nach diesem Gespräch als Kommandant der SiHerr zurücktreten würde. Aber am nächsten Morgen war er wieder in ihrem Büro gewesen, hatte sich wie immer um ihre Sicherheitsangelegenheiten gekümmert und eine Gruppe von Männern ausgeschickt, die Nachforschungen wegen eines Feuergefechts im Siebzehnten Bezirk anstellen sollten. Sie hatten nie wieder von dieser Sache gesprochen. Melyor hatte es einmal versucht, aber Jibb hatte deutlich gemacht, dass er nicht darüber reden wollte. Stattdessen versuchten beide so zu tun, als hätte sich nichts verändert.
    Dennoch war ihre Freundschaft seitdem nicht mehr dieselbe

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