Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
Explosion angerichtet hatte, begutachteten. Die Marmortreppe, die zum Palasteingang führte und die einmal golden gewesen war, war nun schwarz und mit Glassplittern und Trümmern bedeckt. Die meisten Stufen waren geborsten und würden nicht mehr zu reparieren sein, und die zweite, dritte und vierte Stufe von unten waren vollkommen verschwunden. Die vergoldete Fassade des Palasts war ebenfalls von Ruß überzogen und hatte Kerben von Marmorsplittern.
Etwa ein Dutzend von Jibbs Männern lagen neben dem Eingang auf dem Boden, ihre blauen Uniformen blutbefleckt. Ein paar waren bereits verbunden worden, während sich Sanitäter immer noch um die anderen kümmerten. Drei Männer hatte man mit Laken zugedeckt, so dass Melyor nur noch die schwarzen Stiefel und die roten Blutlachen sehen konnte, die sich unter den Leichen ausbreiteten. Von dem Attentäter schien nichts übrig geblieben zu sein.
Andere Gardisten, die den Anschlag unversehrt überstanden hatten, durchsuchten das Gelände vor dem Palast nach Fragmenten der Bombe oder irgendetwas anderem, was ihnen Informationen über den Attentäter liefern konnte. Jibb stand am Fuß dessen, was von der Treppe übrig geblieben war, und sprach leise mit Premel. Es fiel Melyor schon schwer genug, Jibb als General der SiHerr zu sehen, aber dass Premel sein Stellvertreter sein sollte, kam ihr noch unwahrscheinlicher vor. Mit seinem kahl rasierten Kopf und dem großen Goldring im Ohr sah er immer noch viel zu sehr wie ein Gesetzesbrecher aus, sogar in seiner hellblauen Uniform. Trotz der Spuren des Gemetzels, die sie umgaben, musste Melyor lächeln. Manchmal kam es ihr so vor, als wären sie alle Kinder, die nur so taten, als wären sie Herrscher und Soldaten.
»Herrscherin!«, sagte Jibb überrascht, als er sie in der Tür stehen sah. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Ich dachte nur, ihr könntet vielleicht Hilfe brauchen.«
Er kniff die Augen zusammen. »Wie meinst du das?« »Ich war mal ein ziemlich guter Nal-Lord, erinnerst du dich?«
»Selbstverständlich. Aber -«
Sie ging die Treppe hinunter und sprang dabei geschickt über die Stufen hinweg, die zu beschädigt waren, um sie tragen zu können. Sie blieb vor Jibb stehen und sah ihn ruhig an. »Ich bin vielleicht Herrscherin«, sagte sie leise, »aber das bedeutet nicht, dass ich nicht im Stande wäre, Trümmer zu durchsuchen oder all die anderen Dinge zu tun, mit denen ihr euch hier beschäftigt.«
»Das weiß ich, Herrscherin«, erwiderte Jibb, der ebenfalls die Stimme gesenkt hatte. »Aber es bedeutet auch, dass du noch gefährdeter bist als Nal-Lord. Und wer könnte schon sagen, ob sich nicht noch ein zweiter Attentäter in der Nähe aufhält?«
Sie lächelte. »Du hast Recht. Gut, dass der Kommandant der SiHerr ebenfalls nicht fern ist.«
Jibb schüttelte den Kopf. »Das ist nicht komisch, Herrscherin.«
»Nein, das ist es nicht«, stimmte Melyor mit einem weiteren Blick auf die Leichen zu. »Jemand hat drei meiner Männer getötet, und ich will wissen, warum.« Sie wandte sich wieder Jibb zu. »Was den Rest angeht, so kann ich immer noch besser mit einem Messer oder einem Werfer umgehen als jeder dieser Männer hier. Und das schließt auch dich ein, Jibb. Vergiss das nicht.«
Er grinste sie auf eine Weise an, wie sie es seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. »Das habe ich nie vergessen«, sagte er. »Und ich bin froh, dass es dir ebenso geht.«
Sie runzelte die Stirn, denn sie wusste nicht so recht, wie er das meinte.
»Komm mit«, sagte er und zeigte auf einen kleinen Trümmerhaufen, der in der Nähe des Eingangs aufgeschichtet war. »Ich zeige dir, was wir bisher gefunden haben.« Sie hockten sich neben den Trümmerhaufen und begannen, sich die Steinbrocken, Tuchfetzen und Metallsplitter anzusehen. Premel stieß ebenfalls zu ihnen.
»Wir haben überwiegend das Gleiche gefunden wie bei den letzten vier Anschlägen«, sagte Jibb und betrachtete einen Moment ein Stück Metall, bevor er es wieder auf den Haufen zurückwarf.
Melyor lächelte bedauernd. »Mit anderen Worten: nichts.« Der General zuckte die Achseln und nickte. »Aber es ist jedes Mal dasselbe Nichts.«
Premel schnaubte. Melyor brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es ein Lachen sein sollte. Aber als sie den kahlköpfigen Mann ansah, konnte sie in seinen hellen Augen keinerlei Heiterkeit erkennen.
»Das ist schlimmer als nichts«, sagte Premel. »Es ist, als machten sie sich über uns lustig.«
»Du bist also der gleichen Ansicht
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