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Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise

Titel: Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Hochsommer wird er viel zu viel Schatten auf die anderen Pflanzen werfen.«
    Shivohn verkniff sich ein Lächeln. Lirette hatte immer deutlich ihre Meinung gesagt. Sie mochte Shivohn respektieren, ließ aber keinen Raum für Zweifel: Der Garten war Lirettes Domäne.
    »Ich verstehe«, erwiderte Shivohn mit angemessenem Ernst. »Du hast freie Hand, alle Veränderungen zu veranlassen, die du für notwendig hältst.«
    Die Frau lächelte. »Danke, Herrscherin.«
    Shivohn drehte sich um und machte sich wieder auf den Weg. Dann erinnerte sie sich an die neue Arbeiterin, blieb stehen und sah sich nach ihr um.
    Aber noch bevor sie sie entdeckte, hörte sie wieder jemanden nach ihr rufen. Sie seufzte tief, wandte sich der Terrasse zu und sah, dass einer ihrer Leibwächter ihr zuwinkte. »Was ist denn?«, fragte sie ungeduldig.
    »Dein Sprechschirm, Herrscherin!«, antwortete der Mann. »Herrscherin Melyor möchte dich sprechen.«
    Shivohn verzog das Gesicht. »Na gut.«
    Sie wollte den kürzesten Weg zur Terrasse nehmen und wäre dabei beinahe mit jemandem zusammengestoßen. Sie erkannte, dass es die neue Arbeiterin war.
    »Hallo!«, sagte Shivohn so freundlich, wie sie konnte. Sie wollte um die Frau herumgehen. »Ich habe leider im Augenblick keine -«
    Sie blieb stehen und starrte der Frau in die Augen. Ihre Pupillen waren riesig, und rings um das bodenlose Schwarz war nur ein dünner Ring geblieben.
    Sie steht unter Drogen, erkannte die Herrscherin voller Angst. Sie versuchte zurückzuweichen, denn sie wusste mit plötzlicher, betäubender Klarheit, wieso die Frau hier war, aber direkt hinter ihr befand sich eine Hecke.
    Niemand sonst hatte etwas bemerkt. Sie würde in unmittelbarer Nähe einer gesamten Einheit von Sicherheitsleuten und zahlreicher Arbeiter sterben, und niemand konnte etwas dagegen tun.
    »Warum?«, fragte sie, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    Aber sie wusste, dass die Frau ihr diese Frage nicht beantworten konnte.
    Die Frau hob langsam die Hand, und Shivohn sah die Morgensonne auf dem Metall des rechteckigen Zünders glitzern. Die Herrscherin öffnete den Mund zu einem Schrei, aber da bewegte die Attentäterin auch schon den Daumen.
     

5
     
    I ch habe nie ein Geheimnis aus meinen Gefühlen für die Liga gemacht Tatsächlich bin ich sicher, dass du froh wärst, nie wieder etwas über sie oder ihre Mitglieder lesen zu müssen. Es fällt mir schwer, mir auch nur vorzustellen, dass ich ihnen je verzeihen könnte, was sie mir angetan haben, und noch schwerer, ihnen zu vergeben, was sie der Magie angetan haben. Du weißt das alles selbstverständlich, weil ich schon öfter darüber geschrieben habe. Daher mag es dich vielleicht überraschen, dass es ein Mitglied der Liga gibt, gegen das ich nichts habe und dem ich seine Ablehnung des Ordens niemals übel nehmen könnte. Es wird dich zweifellos noch mehr überraschen, wenn du erfährst, dass diese Person zu den Anführern der Liga gehört - es mag durchaus sein, dass sie unter jenen war, die die Attentatsversuche auf mich befohlen haben. Aber selbst wenn das der Fall wäre, wäre es egal...
    Sie heißt Cailin, und sie hat als Kind so unter den Taten der Fremden gelitten, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie sie überhaupt erwachsen geworden ist. Dass sie den Orden dafür verantwortlich macht, bei ihrem Schutz versagt zu haben, erscheint mir nur gerechtfertigt und überzeugt mich, dass es, solange sie der Liga dient, keine Versöhnung zwischen den beiden Gruppen geben wird.
    Falkenmagier Orris an Melyor i Lakin, Herrscherin und Steinträgerin von Bragor-Nal, im Winter des Gottesjahres 4633
     
    Cailin wischte sich ein zweites Mal die Tränen weg und lächelte Linnea entschuldigend an.
    »Es tut mir Leid, Älteste«, sagte sie mit bebender Stimme. »Das ist alles so neu für mich. Jedes Mal, wenn ich anfange, darüber zu sprechen, habe ich wieder das Gefühl, ihn gerade erst verloren zu haben.« Sie schluckte und kämpfte gegen weitere Tränen an. Marcran war nun fast vierzehn Tage tot. Dieses taube, leere Gefühl in ihrer Brust kam ihr inzwischen so vertraut vor, wie es noch vor so kurzer Zeit die Präsenz des kleinen Falken in ihrem Geist gewesen war. Und dennoch, jedes Mal, wenn sie von seinem Tod sprach, der ihn ganz sanft und im Schlaf ereilt hatte, tat es wieder so weh wie an dem Tag, an dem sie ihn verloren hatte. Linnea stand am Fenster des trüb beleuchteten Zimmers, und ihr rundlicher Körper zeichnete sich beinahe als schwarze

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