Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
dass Toinan diese Idee hatte, sonst hättest du das Konklave vielleicht mit noch weniger verlassen.«
Nun setzte sie sich doch auf einen Stein neben ihn. »Warum sagst du mir das?«
Stepan zögerte. »Weil ich Angst habe«, erwiderte er schließlich. »Ich hätte nie geglaubt, einmal eine Adlerwei...« Er hielt inne und grinste, wenn auch nur kurz. »Ich hätte nie gedacht, je zu erleben, dass sich zwei Magier gleichzeitig an Adler binden. Ganz gleich, was Erland sagt oder was ich selbst gesagt habe - das hat etwas zu bedeuten. Die Götter würden nicht ohne Grund zwei Adler schicken.« »Also glaubst du, ich sollte Oberhaupt der Liga werden.« Der Eulenmeister stand abrupt auf. »Das habe ich nicht gesagt.«
Cailin starrte ihn zornig an. »Was denn sonst? Wenn du solche Angst hast, wieso hast du dich mir dann heute widersetzt?«
»Das habe ich dir schon gesagt: Erland ist mein Freund, und er ist der Erste Meister dieser Liga. Ich werde nicht zulassen, dass er von dir oder sonst wem gedemütigt wird.« Er schluckte. »Vielleicht solltest du uns tatsächlich anführen, zumindest so lange, bis wir wissen, warum dein Adler zu dir gekommen ist. Aber du wirst eine Möglichkeit finden müssen, auf subtilere Weise zur Führung zu gelangen. Du kannst es nicht erreichen, indem du dich mit Erland streitest.«
»Aber Erland und ich werden uns bestimmt streiten. Willst du mir damit sagen, dass ich immer nachgeben muss?« »Nicht im Geringsten. Ich meine nur, du solltest sehr vorsichtig vorgehen.«
Cailin schüttelte den Kopf. »Aber wie -«
»Es steht mir nicht zu, dir das vorzuschreiben«, sagte er beinahe freundlich. »Es wird zweifellos Situationen geben, in denen ich mich gegen dich stelle, und ich habe nicht vor, deiner Sache mehr zu helfen, als ich muss. Aber du bist eine intelligente junge Frau. Ich vertraue darauf, dass du selbst herausfinden wirst, was du tun musst.«
Beide schwiegen nun. Es wurde langsam kalt. Cailin sehnte sich danach, ein Feuer entzünden und in Ruhe darüber nachdenken zu können, was Stepan ihr gesagt hatte. »Ich sollte jetzt gehen«, erklärte der Eulenmeister schließlich. Er zögerte, dann sagte er: »Es wäre mir lieb, wenn du niemandem von unserem Gespräch erzählen würdest. Ich will nicht, dass Erland erfährt, dass ich mit dir gesprochen habe.« Er lächelte dünn. »Es sieht so aus, als hätte ich dir damit etwas gegen mich in die Hand gegeben, falls du es je brauchen solltest.«
Cailin stand auf und sah ihm in die Augen. »Ich werde es niemandem sagen«, versprach sie. »Das schwöre ich beim Andenken an meine Mutter und meinen Vater.«
Bei diesen Worten wurden seine Augen groß, und schließlich nickte er.
Cailin zwang sich zu einem Lächeln. »Ich danke dir für deinen Rat, Stepan. Ich denke, ich habe eine gewisse Vorstellung davon, wie viel es dich gekostet hat. Ich bin dir einiges schuldig.«
»Ich habe es für die Liga und für Tobyn-Ser getan«, erklärte er brüsk. »Und wahrscheinlich auch für Erland.« Sie lächelte abermals, und diesmal war es ein ehrliches Lächeln. »Was immer deine Gründe waren, ich danke dir. Ich werde versuchen, deinen Rat gut zu nutzen.« »Gute Nacht, Adlermeisterin.« Er warf Rithel, die neben Cailin auf dem Boden stand, einen Blick zu. Und es kam Cailin so vor, als hätte der Eulenmeister dem Vogel zugenickt, bevor er sich umdrehte und wieder in die Stadt zurückkehrte.
Als sie den roten Schimmer von Stepans Ceryll nicht mehr sehen konnte, machte sich Cailin daran, abgebrochene Äste zu sammeln, um ein Feuer zu entzünden. Aber sie suchte nicht lange. Sie war müde, daher beschränkte sie sich auf ein kleines Feuer und ihre bescheidene Mahlzeit. Stepan hatte zumindest mit einer Sache Recht gehabt: Sie hatte tatsächlich keine Erfahrung als Anführerin. Und hier, in der Dunkelheit des Falkenfinderwaldes, allein bis auf den großen Vogel, an den sie sich gebunden hatte, musste sich Cailin ernsthaft fragen, ob ihre Unwissenheit dem Land nicht großen Schaden zufügen würde.
12
B ei all den Veränderungen in meinem Land - und das waren viele - zwingen mich die aktuellen Ereignisse zuzugeben, dass einige Lords und Gesetzesbrecher des Nal weiter dem alten Weg verbunden geblieben sind. Die fortgesetzten Attentatsversuche gegen mich zeigen das deutlich, ebenso wie die Scharmützel, die immer noch mit ärgerlicher Regelmäßigkeit in einzelnen Bezirken ausbrechen. Wie ich dir mehr als einmal gesagt habe, erkenne ich in dieser Hinsicht
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