Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
selbstverständlich auch echte Fortschritte. Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe, aber ich muss zugeben, dass mein Erfolg Grenzen hat.
... Die Gefahr besteht natürlich darin, dass einem von uns etwas zustoßen wird, bevor die Veränderung Lon-Sers vollständig ist. Jibbs Tod, mein eigener oder auch der von Shivohn könnte verheerende Folgen für jede einzelne Person in jedem Block aller drei Nals haben. Der Fortschritt geht stetig weiter, aber die Gefahr, in Chaos und Gewalttätigkeit zurückzufallen, besteht nach wie vor. Es braucht nur eine einzige gut platzierte Bombe, eine Salve Werferfeuer, einen Dolch...
Melyor i Lakin, Herrscherin und Steinträgerin von Bragor-Nal an Falkenmagier Orris, Tag 1, Woche 11, Winter 3067
Sie waren wieder in den unterirdischen Gängen, auf dem Weg zum Vierzehnten Bezirk, um einen weiteren Kleinkrieg zu beenden, der zwischen zwei rivalisierenden Nal- Lords ausgebrochen war. Es war leicht für Melyor, den Lords und ihren Untergebenen zu befehlen, wie sie ihre
Bezirke fuhren sollten, sie konnte ihnen sagen, wie sie miteinander Geschäfte machen sollten, aber sie konnte sie nicht zwingen, ihr ganzes Wesen zu ändern. Und so fiel es den Männern der SiHerr zu, die Beschlüsse der Herrscherin in die Tat umzusetzen, ganz gleich, ob die einzelnen Männer mit den Gesetzen übereinstimmten oder nicht.
Unter normalen Umständen wäre das Premel egal gewesen. Für gewöhnlich genoss er diese Vorstöße in die Blocks. Es war schön, wieder einmal nur auf sein umfangreiches Wissen über die Straßen und Gassen und auf seine Instinkte angewiesen zu sein. Hier war er in seinem Element, ebenso wie Jibb. Der Sicherheitschef hätte das niemals zugegeben, das wusste Premel. Jibb hätte so etwas als einen Verrat an Melyor betrachtet. Aber man brauchte ihn nur anzusehen, wie er sich nun durch den Tunnel bewegte, den Werfer in der Hand, die dunklen Augen wachsam, die Zähne zu einem wilden Grinsen gefletscht, um zu erkennen, dass sein Herz immer noch in den Blocks lag. Tatsächlich machte das schon seine Anwesenheit allein hier deutlich. Slevin, sein Vorgänger als Kommandant der SiHerr, hätte sich niemals selbst auf eine solche Mission begeben, sondern es seinen Untergebenen überlassen. Aber nicht Jibb. Und unter normalen Umständen wäre Premel froh gewesen, den dunkelhaarigen Mann an seiner Seite zu haben.
Aber das hier waren keine normalen Umstände. Marar erwartete, dass Premel sowohl Jibb als auch Melyor heute oder morgen tötete. Und um ehrlich zu sein, lieferte ihre heutige Mission Premel eine hervorragende Gelegenheit, zumindest die erste Hälfte dieses Auftrags hinter sich zu bringen. Im Vierzehnten würden sie zweifellos auf Widerstand stoßen. Wenn Jibb von Werferfeuer getroffen wurde, würde das niemanden misstrauisch machen. Solche Dinge geschahen in Bragor-Nal ununterbrochen. Es gab sicherlich eine Möglichkeit, Jibb zu erschießen und die Schuld einem anderen zuzuschieben - einem anderen Gardisten oder vielleicht sogar einem Gesetzesbrecher. Das war nicht das Problem.
Premel hatte nie einen älteren Bruder gehabt, aber er empfand für Jibb das Gleiche, was wohl sein jüngerer Bruder für ihn, Premel, empfunden hatte, bevor er vor mehreren Jahren bei einem Feuergefecht im Zwölften umgekommen war. Premel konnte den Gedanken, einen zweiten Bruder zu verlieren, einfach nicht ertragen. Und dennoch, wenn er sich weigerte, Jibb zu töten, war sein eigenes Leben nichts mehr wert. Seit er vor kurzem mit dem Herrscher von Stib- Nal gesprochen hatte, hatte er immer wieder daran denken müssen, dass ihm nur noch eine einzige Alternative blieb, aber die war so drastisch und gefährlich, dass er sich nicht dazu entschließen konnte. Dann hatte Marar sich wieder mit ihm in Verbindung gesetzt, wieder mit diesem halb wahnsinnigen Blick, und verlangt, dass Premel sowohl Jibb als auch Melyor tötete. Sie hatten seitdem noch einmal miteinander gesprochen, aber nur lange genug, dass Marar fragen konnte, ob Premel die Morde bereits begangen hatte. Premel hatte erklärt, dass sich noch keine Gelegenheit ergeben hätte. Marar hatte das widerstrebend akzeptiert, aber Premel hatte nur wenig Hoffnung, den Herrscher weiterhin vertrösten zu können. Was immer er tat, er würde bald handeln müssen.
Vor ihm hob Jibb die Hand und riss Premel damit aus seinen finsteren Gedanken. Der Sicherheitschef wandte sich den Männern zu und zeigte auf ein kleines blaues Licht an der gewölbten
Weitere Kostenlose Bücher