Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
Aber dann wandte sie erneut den Blick ab, und ein ironisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
»Ich streite mit allen, Magier. Selbst wenn sie nicht meine Patienten sind. So bin ich nun mal.«
Nodin lächelte. »Ich bin froh, das zu hören.«
Sie saßen einen Augenblick schweigend da, dann beugte Ianthe sich vor und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Dein Fieber ist weg.«
»Ja.«
»Glaubst du immer noch, dass Sartol dir das angetan hat, dass er deine Freundin beherrscht?«
»Ich bin vollkommen überzeugt davon«, sagte Nodin. »Ich schwöre es dir beim Leben meines Freundes Henryk, den er getötet hat.«
Sie erschauderte, als hätte sie plötzlich ein kalter Wind getroffen. »Ich hatte gehofft, du würdest das nicht sagen. Es wäre mir lieber, wenn ich diese Reise ohne Grund gemacht hätte, als zu wissen, dass du Recht hast.« Sie schüttelte den Kopf. »Arick möge uns allen beistehen.«
Er hätte gern etwas gesagt, das sie beruhigte. Er wollte ihr gerne sagen, dass sie eine Möglichkeit finden würden, Sartol aufzuhalten. Aber er hatte gespürt, über welche Macht der Geist verfügte, und er hatte gesehen, wie leicht Sartol Tammen alles genommen und Henryk getötet hatte. Also schwieg er. Ianthe hatte Besseres verdient als Lügen.
Die Heilerin blieb noch einen Augenblick bei ihm sitzen, dann stand sie auf und ging zurück zum Wagen. »Gute Nacht, Magier«, sagte sie, bevor sie hineinstieg. »Ich bin froh, dass es dir gut geht.«
Es geht mir nicht gut, hätte er beinahe gesagt. Ich bin wieder gesund, dank dir und Ortan und Shavi. Aber es wird mir nicht gut gehen, bis Tammen frei von Sartol ist. Aber er hielt den Mund. Das war seine Last und nicht ihre. Sie hatte alles für ihn getan, was sie konnte.
Es hatte als einfache Erkältung begonnen. Leichtes Fieber und Schnupfen. Zwei Tage später lag sie im Bett, zu schwach, um sich auch nur zu bewegen. Linnea kannte sich mit der Heilkunst nicht aus, aber sie kannte ihren eigenen Körper. Und sie wusste, dass dies der Anfang vom Ende war. Die Krankheit, die im vergangenen halben Jahr in ihrem Körper getobt hatte, hatte das ihre getan, um sie zu erschöpfen, so dass diese jämmerliche Erkältung, dieses Nichts, sie nun umbringen würde. Linnea hatte schon lange begriffen, dass sie bald sterben würde, aber die Ironie dieser Situation war zu viel für sie.
Ihr war alles egal, aber sie wollte Cailin noch ein letztes Mal sehen. Der Rest zählte nicht. Nicht die Adler oder die Waffen oder die Wälder. Nur Cailin. Sie hatte keine eigenen Kinder gehabt, aber nun am Ende begriff sie, was es bedeutete, Mutter zu sein.
Sie hatte die Heiler weggeschickt und sich geweigert, sich weiter behandeln zu lassen. Im Augenblick versuchten sie nur, es ihr bequemer zu machen und ihren Tod noch ein paar Tage hinauszuzögern. Mehr konnten sie nicht tun, und Linnea hätte ihnen am liebsten sogar das verweigert. Zweifellos hielten sie sie für dumm, und sie musste zugeben, wenn sie Cailin wirklich wiedersehen wollte, war sie auf die Hilfe der Heiler angewiesen. Aber im Augenblick wollte sie nichts mit ihnen zu tun haben.
Sie saß im Bett, in die Kissen gelehnt, und sah, wie der Tag hinter ihrem einzigen Fenster verging. Und sie wartete auf Cailin, damit sie endlich sterben konnte. Ihr Frühstück stand auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett, unberührt, wenn man von zwei dicken Fliegen absah, die darum herumschwirrten.
Endlich schlief sie ein, erwachte aber kurze Zeit später wieder, als es an der Tür klopfte.
»Lasst mich schlafen«, sagte sie und schloss die Augen wieder.
»Linnea, bitte«, erklang eine Männerstimme. »Ich bin es, Brevyl. Ich muss mit dir sprechen.«
»Ich sterbe, Brevyl. Kannst du mich nicht in Ruhe lassen?«
Die Tür ging auf und der Älteste kam herein. Sorge zeichnete sich auf seinem runden Gesicht ab. »Ich fürchte, das kann ich nicht. Nicht jetzt.«
»Mach, dass du rauskommst!«, sagte sie und setzte sich auf. Die Anstrengung allein ließ sie keuchen. »Was für eine Unverschämtheit, ohne Erlaubnis in mein Zimmer zu kommen!« Nun, da er tatsächlich im Zimmer war, schaute er beunruhigt drein, als fürchtete er, es könnte ihn ebenfalls töten, wenn er ihr zu nahe kam. »Verzeih mir. Aber ich muss etwas mit dir besprechen.«
»Ich werde dir nicht verzeihen! Und jetzt verschwinde!« Sie klang jämmerlich und ein bisschen verrückt, aber sie konnte einfach nicht anders. Sie hatte diesen Mann nie leiden können, und er hatte ihr gegenüber nie
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