Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
hatte diese große Stadt lieben gelernt. Aber es war immer noch besser, Amarid zu verlieren, als das Leben Dutzender Magier in einem vergeblichen Versuch zu opfern, Sartols Geist niederzuringen.
Solche Gedanken behielt sie selbstverständlich für sich. Sie hatte das Gefühl, dass Vawnya ihr vielleicht zustimmen würde, aber bei den anderen war sie sich nicht sicher. Nicht bei Erland oder Trahn und ganz bestimmt nicht bei Jaryd oder Orris, deren Meinung ihr am wichtigsten war. Also ritt sie einfach weiter, grimmig und schweigend wie ihre Begleiter. Aber ihre Zweifel wuchsen.
Sie ritten bis weit in die Abenddämmerung, bis das letzte geisterhafte Schimmern des Tageslichts aus dem Gotteswald verschwand und Cailin sich zu fragen begann, ob der Adlerweise ihnen überhaupt Ruhe gönnen würde. Tatsächlich hätte er sie vielleicht weiter angetrieben, wären nicht Trahn und Orris zu ihm geritten und hätten leise und drängend auf ihn eingeredet. Mit einem widerstrebenden Nicken hob Jaryd die Hand und gab den anderen das Zeichen zum Anhalten.
»Wir lagern hier«, sagte er schlicht, schwang sich vom Pferd und ging in den Wald davon.
»Warum lassen wir uns das überhaupt von ihm gefallen?«, fragte Vawnya mürrisch.
»Weil er der Adlerweise ist«, sagte Cailin. »Und weil jeder Befehl, den er gibt, auch von mir kommt.«
Vawnya verzog geringschätzig den Mund, aber dann nickte sie.
»Wohin geht er?«, fragte Cailin Orris, nachdem Vawnya und Erland begonnen hatten, Trahn beim Holzsammeln zu helfen.
»Sprichst du von Jaryd?«
Sie nickte.
»Er will versuchen, Alayna zu erreichen. Sie sprechen jeden Abend durch das Ceryll-Var miteinander.«
»Oh«, sagte sie leise und spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Sie hätte gerne gewusst, wie es wäre, eine solche Verbindung zu jemandem zu haben. Sie wünschte sie sich mit dem Mann, der neben ihr stand.
Irgendwie hatte Orris ihre Gedanken wohl erraten, denn einen Augenblick später räusperte er sich und folgte Trahn und den anderen. »Wir sollten ihnen beim Holzsammeln helfen.«
»Selbstverständlich«, sagte sie und sah ihm hinterher. Aber sie blieb, wo sie war, und verfluchte den Schmerz in ihrer Brust und das Zittern ihrer Hände.
Sie stand immer noch da und starrte ihm hinterher, als Jaryd wieder auftauchte.
»Wo sind die anderen?«
»Sie sammeln Holz für das Feuer.« Cailin zwang sich, ihn anzusehen. Sie hatte Orris' Ceryll ohnehin vor einiger Zeit aus den Augen verloren. »Wie geht es Alayna und Myn?« Der Adlerweise gestattete sich ein Lächeln. »Gut, danke.« »Ist irgendetwas geschehen?«
»Nicht dass sie wüssten, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Sie sagt, aus den Fenstern der Halle schimmert seltsames Licht, als befänden sich viele Cerylle im Versammlungssaal.«
»Oder viele Geister«, flüsterte Cailin.
Er sah sie trostlos an. »Ja.« »Rhonwen hatte vielleicht Recht, Jaryd«, sagte sie impulsiv. »Es könnte sein, dass wir Amarid aufgeben müssen.« Sie hielt den Atem an und erwartete, dass er ihr widersprechen würde. Aber er überraschte sie.
»Das weiß ich«, sagte er leise und wandte den Blick ab. »Aber das werde ich nur tun, wenn alles andere nichts mehr nützt.« Dann sah er sie wieder an. »Du musst tun, was du für die Liga für am besten hältst, Cailin. Das weiß ich. Aber ich brauche dich und alle Ligamagier, wenn ich einen anderen Weg finden will.«
Sie starrte ihn nur an. Sie wusste, wäre Erland an ihrer Stelle gewesen, hätte er irgendein Zugeständnis im Ausgleich für die Unterstützung der Liga verlangt. Immerhin hatte Sartol die Halle des Ordens eingenommen und nicht die der Liga. Wenn sie gezwungen wären, die Stadt des Ersten Magiers zu verlassen, würde das die Schuld des Ordens sein. Und wenn es dem Orden gelingen sollte, Sartol mit Hilfe der Liga zu besiegen, wären Cailin und ihre Mitmagier Helden. Was auch immer geschah, der Liga würden nur Vorteile daraus erwachsen, und als einem der Oberhäupter der Liga fiel es Cailin zu, das meiste aus der Situation herauszuholen. Aber während die Farbe ihres Umhangs verlangte, dass sie einen Vorteil aus Jaryds Situation zog, ließ der große Vogel, der neben ihr stand, das nicht zu. Ebenso wenig wie die Freundschaft, die sie und der Adlerweise in den vergangenen Wochen geschlossen hatten. Trotz all ihrer Zweifel, ob die Stadt gerettet werden konnte, wusste sie, dass sie es Jaryd und ganz Tobyn-Ser schuldig war, es zumindest zu versuchen.
»Wir werden tun, was immer notwendig
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