Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
schließlich.
»Und was ist mit dem Stein?«
Jaryd zuckte die Achseln. »Der Stein ist verloren. Ich wüsste nicht, was wir unternehmen könnten. Amarid und Theron haben ihn aus Ceryllon hierher gebracht und ihn so verändert, dass er mit unseren Ceryllen verbunden war. Wir könnten vielleicht einen ähnlichen Kristall holen, aber ich weiß nicht, wie ich tun sollte, was sie getan haben.«
Die anderen Magier standen schweigend vor ihm, als würden sie darüber nachdenken, was es bedeutete, keinen Rufstein mehr zu haben. Nun gab es nichts mehr, was sie aneinander band. Es gab keine Möglichkeit, sie alle zu einer Versammlung zu rufen oder über den Tod eines Eulenweisen zu informieren. Tatsächlich bestand ohne den Stein kaum die Notwendigkeit für einen Weisen. Und ganz bestimmt gab es keinen zwingenden Grund mehr, dass ein Weiser und ein Erster in Amarid bleiben mussten. Es war immer der Rufstein gewesen, der sie dort hielt. Es war ihre Verantwortung, die anderen Magier zur Stadt des Ersten Magiers zu rufen, wenn das notwendig war. Und wenn die Krise dann verlangte, dass die Magier anderswohin gingen, konnten sie den Stein benutzen, um eine Gruppe von ihnen schnell an jeden beliebigen Ort in Tobyn-Ser zu schicken. »Die Magie wird nie wieder sein wie zuvor«, sagte Erland leise, als hätte er Jaryds Gedanken gelesen. »Der Stein ist verloren und der Fluch ist verschwunden.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dass so etwas geschehen könnte.«
»Vielleicht«, sagte Cailin, »ist dies ein guter Zeitpunkt, die Fehde zwischen der Liga und dem Orden zu beenden. Wir haben gemeinsam gegen einen Feind gekämpft, und wir haben die Fähigkeit verloren, rasch zu reagieren, wenn das Land in Not ist. Unsere Rivalität weiterzuführen wäre einfach nur dumm.«
Jaryd lächelte. »Ich bin ganz deiner Meinung.«
Aber sie war noch nicht fertig, und im nächsten Augenblick begriff Jaryd, dass ihre Bemerkung mehr Erland gegolten hatte als jedem anderen. Cailin reichte Orris ihren Stab, zog ihren blauen Umhang aus und ließ ihn zu Boden fallen.
Erland starrte sie mit großen Augen an. »Was machst du da?«
»Ich verlasse die Liga. Du wolltest, dass ich meine Autorität an dich zurückgebe, sobald der Krieg vorbei ist. Ich tue sogar noch mehr. Du wirst dir keine Sorgen mehr darüber machen müssen, dass ich dich herausfordere, Erland. Ich bin jetzt eine freie Magierin. Ich diene dem Land, und das ist alles.«
Orris legte ihr die Hand auf den Arm. »Cailin, das ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Doch!«, sagte sie und schob seine Hand weg. »Ich habe lange genug gewartet. Die Liga ist nichts; das Land ist alles, was zählt. Und es ist an der Zeit, dass auch er das begreift.« »Aber wenn du gehst, gehen die anderen auch! Die Liga wird geschwächt! Das willst du doch sicher nicht.« »Um ehrlich zu sein, Erland, ist es mir egal. Einige werden bei dir bleiben: Toinan, Kovet, Stepan.«
Sie hielt abrupt inne und wurde bleich. »Wo ist Stepan?«, fragte sie und sah sich um. Dann fielen ihr die Toten ein, die am anderen Ende des Saals lagen. »O nein«, flüsterte sie und eilte dorthin.
Mit einem Aufschrei fiel sie neben einer Leiche auf die Knie und begann zu weinen.
Einige Zeit sagte niemand etwas, und sie gingen alle ans andere Ende des Saals, um zu sehen, wer noch umgekommen war. Ein paar Minuten später kam Orris auf Cailin zu. Er hatte ihren Umhang aufgehoben und versuchte nun, ihn ihr um die Schultern zu legen.
»Nein«, sagte sie. »Das will ich nicht.«
Er zögerte, dann ließ er ihren Umhang fallen, zog seinen eigenen aus und reichte ihn ihr.
Insgesamt waren vier Ligamagier gestorben, alle von ihnen älter. Der Orden hatte zwei Magier verloren. Neysa, eine junge Frau, die ihren Umhang nur ein Jahr vor Jaryd und Alayna entgegengenommen hatte, und Eifion, das älteste Ordensmitglied.
»Wir sollten ihnen alle Ehre erweisen«, sagte Jaryd, »vielleicht mit einer Prozession von der Großen Halle zur Halle der Liga.«
»Wir sollten auch die Männer des Tempels ehren«, schlug Sonel vor. »Sie kamen uns zu Hilfe, als wir sie brauchten, und sie haben ihren Ältesten verloren.«
Jaryd nickte. »Gern. Kannst du sie benachrichtigen?« »Selbstverständlich.«
»Danke«, sagte der Adlerweise. Er wandte sich Alayna zu, ergriff ihre Hände, und irgendwie gelang es ihm zu lächeln.
»Gehen wir zu Myn.«
16
A ngesichts der Ereignisse dieses Frühjahrs und des Verlusts des Rufsteins sind wir
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