Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
wandte sich mit wehendem Umhang vom Tisch ab. »Wir sehen uns morgen früh.«
Er schaute nicht zurück und warf nur einen Blick zur Seite, wo Rithlar neben ihm herhüpfte. Als er die Tür zum Zimmer des Weisen erreichte, ging er einfach hinein und schloss sie hinter sich, nicht laut, aber auch nicht sonderlich leise. Er hatte es Alayna überlassen, mit den anderen zurechtzukommen, und er fühlte sich deshalb schuldig, aber er war einigermaßen sicher, dass sie ihn verstehen würde.
Er wusste, dass Orris eine Massenpanik befürchtete. Jaryd hingegen hatte Angst, dass das Gegenteil der Fall war: Sie wurden wieder selbstzufrieden, und je länger sie hier saßen und auf einen Krieg warteten, der nicht begann, desto weniger würden sie vorbereitet sein, wenn es schließlich doch geschehen würde. Das konnte er nicht zulassen - nicht, solange Rithlar bei ihm blieb.
Er konnte sie draußen im Saal reden hören. Sie stritten über das, was er gerade gesagt und getan hatte, und über die mögliche Bedeutung von Myns Traum. Ein Teil von ihm wollte an den Ratstisch zurückkehren und sich diesen Diskussionen anschließen. Aber er hatte den Saal aus einem bestimmten Grund verlassen. Im Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass Alayna in ihr Zimmer zurückkehrte und ihm erzählte, was geschehen war. Und das würde erst passieren, wenn alle anderen gegangen waren.
Die Wartezeit erwies sich als kürzer, als er angenommen hatte. Innerhalb einer halben Stunde waren die letzten Stimmen verklungen, und Jaryd hörte die Schritte seiner Frau von der Kuppeldecke der Großen Halle widerhallen, als sie näher kam.
Sie betrat das Zimmer, sah ihn an und verdrehte die Augen. »Was für ein Morgen! Sie hatten schreckliche Angst, uns beleidigt zu haben. Ich habe noch nie gehört, wie so viele Menschen so viele nette Dinge über Myn gleichzeitig sagten.« Sie seufzte. »Ich bin müde.«
Er nahm sie in die Arme. »Es tut mir Leid, dass ich dir das angetan habe. Ich hätte dich nicht allein lassen sollen.« »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin froh, dass du ihnen die Meinung gesagt hast. Sonst hätte ich es nämlich getan. Aber ich denke, es war besser, dass sie es von ihrem Adlerweisen hörten.«
»Hast du einen von ihnen überzeugen können?« Sie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Sie erwarten, dass die Liga oder die Tempel unser Feind sein werden, oder in Orris' Fall die freien Magier, und das denken sie schon so lange, dass sie sich weigern zu akzeptieren, dass es jemand anders sein könnte.«
»Besonders Sartol.«
»Genau«, sagte sie mit einem dünnen Lächeln.
»Denkst du, wir haben Myns Traum zu viel Aufmerksamkeit geschenkt?«, fragte sie einen Augenblick später, und ihr Lächeln verschwand. »Sie ist erst sieben Jahre alt. Vielleicht haben wir die Kraft ihres Blicks überschätzt.«
Jaryd zuckte die Achseln. »Das ist schon möglich. Aber sie hat ihn so genau beschrieben. Sogar die Farbe seines Cerylls stimmte.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.«
»Vielleicht sollten wir noch einmal mit ihr sprechen. Später, wenn sie mit dem Unterricht fertig ist.«
»Also gut. In der Zwischenzeit«, sagte er, »habe ich daran gedacht, Cailin von dem Traum zu unterrichten, nur damit sie Bescheid weiß, womit wir es gerade zu tun haben.« »Du willst nicht warten, bis wir wieder mit Myn gesprochen haben?«
Bevor Jaryd antworten konnte, klopfte jemand an ihrer Tür. Die beiden wechselten einen Blick, dann bat Alayna den Betreffenden herein. Eine der Dienerinnen der Großen Halle streckte den Kopf ins Zimmer.
»Tut mir Leid, dass ich störe, Adlerweiser, Erste, aber hier ist
eine Magierin, die euch sprechen möchte. Eine, die ich noch nie zuvor gesehen habe.«
Jaryd spürte, wie sein Magen sich zusammenzog. Er schaute Alayna an und sah, dass sie blass geworden war. »Wie sieht sie aus?«, fragte er. »Was für eine Farbe hat ihr Umhang?« »Sie trägt keinen Umhang, Adlerweiser. Sie hat nicht einmal einen Vogel. Ich weiß nur wegen des Stabs und des Steins, dass sie eine Magierin ist. Sie will mit dem Eulenweisen sprechen. Ich war nicht sicher, was ich ihr sagen sollte.«
»Schon gut«, sagte Jaryd lächelnd. »Schick sie herein. Wir werden hier mit ihr sprechen.«
Die Dienerin nickte. »Sehr wohl, Adlerweiser.« Alayna rief ihre Eule auf die Schulter, während die Dienerin ihre Besucherin holen ging. »Was ist mit Rithlar?«, fragte sie. »Sollte
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