Die Chroniken von Amarid 06 - Der Friede von Lon-Tobyn
Wind zu bremsen. Sie ist einfach zu gewaltig.«
»Hat Theron irgendetwas über eine Möglichkeit, ihn aufzuhalten, gesagt?«, fragte Cailin.
»Nicht, solange keiner von uns willens ist, einem anderen Magier das anzutun, was Sartol Tammen angetan hat.« »Und was ist das genau?«, fragte Jaryd.
Orris wagte sich kaum zu rühren, denn er spürte, dass sie den wichtigsten Punkt erreicht hatten.
Rhonwen starrte den Adlerweisen mit ihren glühenden Augen an. »Es gibt keine Worte dafür. Er hat alles genommen, was ihr gehörte. Er wohnt nun in ihrem Körper; sie kann nicht ohne ihn leben.«
»Kann er ohne sie leben?«
»Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Aber das ist auch egal. Mit der Macht, die ihm nun zur Verfügung steht, könnt ihr sie ohnehin nicht töten. Das kann niemand, nicht einmal die Zeit.«
»Willst du damit sagen, dass er unsterblich ist?«, fragte Orris. »So etwas ist unmöglich.«
»Nein«, sagte Jaryd zu ihm. »Das ist es nicht. Denk doch darüber nach, Orris: Sartol ist bereits tot. Er ist nichts weiter als Magie.« Er schaute wieder Rhonwen an. »Das stimmt doch, nicht wahr? Ihr alle seid reine Magie.« »Ja.«
»Also ist er schon für sich genommen eine endlose Kraftquelle. Er kann Tammens Körper ewig jung erhalten.« Der Geist nickte. »Genau.«
»Es ist also vorbei«, sagte Vawnya leise. »Wir werden ihn nicht besiegen können.«
»Ich weigere mich, das zu glauben«, sagte Jaryd. »Es muss eine Möglichkeit geben.«
Rhonwen zuckte die Achseln, dann schüttelte sie den Kopf. »Es tut mir Leid, Adlerweiser, aber -«
»Ich möchte Theron fragen.«
Der Geist riss die Augen weit auf. »Theron?«
»Ja. Sag ihm, der Adlerweise Jaryd, der Besitzer seines Stabes, möchte mit ihm sprechen.«
Rhonwen warf einen Blick zu seinem Stab, auf dem Jaryd vor Jahren seinen leuchtenden saphirfarbenen Ceryll befestigt hatte. Der Stab trug noch immer die schwarzen Narben jener Nacht, in der Theron seinen Fluch über die Magier von Tobyn-Ser verhängt hatte. »Selbstverständlich«, sagte sie. »Es könnte einen Augenblick dauern.«
Sie schloss die Augen ebenso wie der schlanke graue Falke auf ihrer Schulter, und einige Zeit lang geschah überhaupt nichts. Jaryd sah Orris an und dann Trahn. Alle waren sehr ernst, aber keiner sagte ein Wort. Orris gestattete sich einen Seitenblick zu Cailin und erwartete, dass sie ihn bereits anschaute, aber stattdessen konzentrierte sie sich auf Jaryd, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Das taten auch, wie Orris bemerkte, Erfand und Vawnya. In diesem Augenblick schien es Orris, dass er selbst und Trahn die Einzigen waren, die keine Ehrfurcht vor dem Adlerweisen empfanden. Und das lag nur daran, dass sie schon sehr lange begriffen hatten, dass Jaryd und Alayna etwas Besonderes waren. Es verblüffte sie nicht weniger als die anderen, sie waren nur inzwischen daran gewöhnt.
Dann öffnete Rhonwen die Augen wieder. »Er ist hier, Adlerweiser«, sagte sie, und es klang, als käme ihre Stimme aus großer Ferne. »Er bittet mich, seine Grüße an dich und deine Begleiter auszurichten.«
»Danke ihm dafür, dass er bereit ist, uns zu beraten«, sagte Jaryd. Er hielt inne und wartete, bis sie das getan hatte. »Wir müssen wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, Sartol aufzuhalten«, sagte er dann. »Und zwar ohne dass einer von uns sein Leben opfert, damit erneut ein unbehauster Magier seinen Bindungsort verlassen kann.« »Als Erstes«, meinte Rhonwen nach kurzem Schweigen, »sagt der Eulenmeister, dass nicht einmal er Sartol besiegen könnte, nicht, nachdem Sartol sich den Rufstein angeeignet hat. Und ohne diese Möglichkeit weiß er nicht, was man noch tun könnte.« Sie starrte einen Moment zu Boden, dann begegnete sie wieder Jaryds Blick. »Er sagt, das Beste wäre, die Stadt zu räumen, vielleicht sogar den Falkenfinderwald.« »Das ist nicht dein Ernst«, flüsterte Jaryd.
»Ich fürchte doch. Er sagt, Amarid müsse verlassen werden, so wie Therons Heimatdorf Rholde und der Schattenwald vor tausend Jahren verlassen wurden. Solange Sartols Kraft an seine Beherrschung des Rufsteins gebunden ist, kann er sich nicht weit von dem Stein weg wagen. Zumindest sind die Menschen von Tobyn-Ser auf diese Weise sicher.«
Jaryd schüttelte den Kopf. Auf seinen Wangen waren Tränenspuren, die in Rhonwens Schein und in dem blauen Licht seines eigenen Cerylls glitzerten. »Amarid aufgeben«, wiederholte er.
Rhonwen nickte. Über ihr Gesicht liefen schwarze Streifen, und Orris begriff,
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