Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
Tunnel leichter zu tragen. Doch der Gedanke, unbewaffnet am anderen Ende herauszukommen, war nicht sehr verlockend.
Es dauerte mindestens zehn Minuten, bevor Will wieder erschien. Grinsend steckte er den Kopf heraus.
»Die Luft ist rein«, berichtete er. Dann kroch er ganz heraus und stellte sich aufrecht. »Es gibt keine Wachen im Tunnel und auch nicht am vorderen Eingang«, erklärte er. »Tennyson hat einen Altar am anderen Ende der Höhle aufgebaut. Seine Jünger stehen dort im Halbkreis mit dem Gesicht zu ihm.«
»Und nicht etwa zum Tunnel gerichtet?«, fragte Walt nach.
Will nickte. »Wir kommen hinter ihnen heraus, in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad. Niemand wird in unsere Richtung schauen. Selbst Tennyson wird uns nicht bemerken, denn das Ende der Höhle ist von Kerzen, Fackeln und einem großen Feuer erleuchtet. Das heißt, wir können hier im Dunkeln bleiben. Und es gibt jede Menge Felsbrocken, hinter denen wir uns verstecken können.«
Wieder waren abwechselnd die Stimmen zu hören. Tennyson hatte erneut mit seinem Frage-und-Antwort-Spiel begonnen. Malcolm, dem die anderen von Tennyson und seinen Methoden erzählt hatten, konnte erraten, was in der Höhle vor sich ging. Wie Walt gesagt hatte, war es eine Version von »Lobet Alseiass und reicht euer Gold herüber«. Auch wenn Malcolm selbst es vielleicht etwas weniger deutlich ausgedrückt hätte.
»Also gut«, sagte Walt. »Du gehst wieder voran, Will. Horace, sobald du das Licht am Ende des Tunnels siehst, steckst du dein Glimmermoos weg.«
Horace nickte. Walt bückte sich und verschwand hinter Will in dem niedrigen Durchgang. Der junge Ritter holte mehrmals tief Luft und bereitete sich auf das Hineingehen vor. Da spürte er eine leichte Berührung am Arm.
»Ich bin unmittelbar hinter dir«, sagte Malcolm. »Gib mir Bescheid, wenn es dir nicht gut geht.«
Der Heiler wusste genau, wie mutig Horace war und dass seine Angst vor dunklen, engen Orten nichts mit Feigheit zu tun hatte, sondern vermutlich auf irgendeinen Zwischenfall in seiner frühesten Kindheit zurückzuführen war, den er schon längst vergessen hatte. Umso bemerkenswerter war es, wie Horace gegen diese Angst ankämpfte.
»Alles bestens«, sagte der junge Krieger entschlossen. Dann grinste er schief. »Na ja, vielleicht nicht gerade bestens«, gab er zu. »Aber ich komme klar.«
Er hielt sein Schwert in der einen Hand, griff nach dem Moossäckchen, duckte sich und ging in den Tunnel.
Nach dem kurzen Moment im schwachen Licht der Höhle war die Dunkelheit des Tunnels umso bedrückender. Die ersten Schritte ging Horace gebückt, doch als er die Hand prüfend nach oben ausstreckte, merkte er, wie die Höhlendecke über ihm sich weitete, bis er aufrecht gehen konnte. Wieder verspürte er Panik. Wieder packte ihn die Furcht, dass seine Augen nicht mehr funktionierten. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Rasch holte er das Glimmermoos heraus und sah diesen wundervollen kleinen Lichtschein in seiner Hand. Hinter sich hörte er Malcolm tastend vorwärts gehen.
Horace setzte seinen Weg fort und nun, da er sich nicht in absoluter Dunkelheit befand, mit größerer Sicherheit. Nach einer Biegung bemerkte er ein schwaches graues Licht vor sich. Schnell bedeckte er das Moos und ging langsam weiter. Und dann hatte er auch schon das Ende des Tunnels erreicht, wo Will und Walt kauerten und das Geschehen vor ihnen beobachteten.
Wie Will berichtet hatte, besaß diese Höhle fast die Größe einer Kathedrale und hatte eine unglaublich hohe Decke. Am anderen Ende der Höhle brannten Kerzen und Fackeln. In der Mitte befand sich eine große Feuerstelle, deren Flammen Schatten an die Wände warfen. Auf der anderen Seite des Feuers befand sich ein Altar. Er war aus Gold und Silber und mit wertvollen Edelsteinen verziert. Aber vermutlich
war auch dieser Altar nur aus Holz, auf das man eine sehr dünne Goldschicht aufgetragen hatte, ebenso unecht wie das Silber und die Edelsteine. Die echten Juwelen hatte der falsche Prophet sicher unter seinen Sachen versteckt.
Tennyson hatte die Arme ausgebreitet und spielte vor den versammelten Menschen den leidenschaftlichen Prediger.
»Alseiass liebt euch!«, verkündete er. »Alseiass möchte Licht und Freude und Glück in euer Leben bringen.«
»Preiset Alseiass!«, rief die Versammlung.
»Es gibt Gefahren in diesem Land!«, fuhr Tennyson warnend fort. »Tod und Gefahr und Zerstörung. Wer kann euch vor diesen Gefahren retten?«
»Alseiass!«,
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