Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)

vorauseilte.
    Als ehemaliger Lehrjunge von Walt, einem der einflussreichsten Männer im Bund der Waldläufer, hatte Will fast schon eine gewisse Berühmtheit genossen. Doch er war auch derjenige, der die geheimen Pläne von Morgarath, dem finsteren Herrn über Regen und Nacht, aufgedeckt und vereitelt hatte. Das lag nun schon über fünf Jahre zurück. Danach war er während seiner und Prinzessin Cassandras Gefangenschaft bei den nordländischen Piraten
mehr als einmal der Beschützer der Königstochter gewesen. Als er mit ihr in Skandia an der Seite der Nordländer gegen die Temujai kämpfte, die berittenen Krieger aus den Östlichen Steppen, hatte dies zu einem Friedensabkommen mit den Nordländern geführt, das bis zum heutigen Tage fortbestand.
    Sein Mitwirken bei dem Abkommen von Hallasholm hatte Will auch den Namen gegeben, unter dem er inzwischen bekannt war: Will Hallas. Als Waise auf Burg Redmont aufgewachsen, hatte er in seiner Kindheit keinen Familiennamen gehabt.
    Und so war es vielleicht verständlich, dass die Menschen über seine Jugend erstaunt waren und manchmal sogar annahmen, dass sie ihn mit einem anderen Waldläufer verwechselten – jemanden, der älter und viel größer sein musste. In den Jahren seiner Lehrzeit hatte Will oft den Unglauben in den Gesichtern der Leute gesehen, wenn sie seinen Meister Walt, einen schmächtigen, grauhaarigen Mann, zum ersten Mal erblickten. Die Menschen erwarteten von einem Helden etwas anderes. Tatsächlich aber waren die meisten Waldläufer eher klein, dafür aber sehr drahtig und schnell.
    Und so rechnete Will mit Erstaunen, ja sogar mit leichter Enttäuschung, als er sich seinen neuen Nachbarn vorstellte. Besonders galt dies für die Damen des Hofes. Seacliff lag abseits, und so war die Ankunft einer Berühmtheit  – eines Mannes, dem König Duncan persönlich für den Schutz seiner Tochter gedankt hatte – Grund für große Erwartungen. Wenn er diesen nicht genügte, dann hatten die Leute einfach Pech gehabt, fand Will.
    Er seinerseits war von Seacliff ebenfalls ein wenig enttäuscht. Es war ein Lehen in einem landschaftlich schönen Teil des Königreichs. Aber die Jahre des Friedens und der Sicherheit hatten in der Garnison der Burg wohl zu einer gewissen Nachlässigkeit geführt, was auch an der entsprechenden Haltung des Barons und seines Heerführers lag. Das schuf für Will eine unangenehme Situation, denn er mochte die beiden. Andererseits war es unübersehbar, dass Wachsamkeit und Vorkehrungen nicht dem üblichen Stand entsprachen.
    Seit Tagen überlegte Will nun schon, wie er den Baron darauf aufmerksam machen konnte, ohne jemanden zu beleidigen. Er hatte bereits sehr vage darauf hingewiesen, doch Ergell und Norris hatten über seine Bemerkungen gelacht und sie als Kompliment verstanden, wie entspannt und angenehm das Leben in Seacliff war.
    Von jedem Baron im Königreich wurde verlangt, eine gewisse Zahl Soldaten und Rittern bereitzuhalten, um den Frieden im Lehen zu gewährleisten. Und im Falle eines Krieges würde jedes Lehen seine Männer in die Armee des Königs entsenden, wo sie dann unter Führung von König Duncan und dem Inneren Rat dienten. Ein großes Lehen wie Redmont hielt ein Heer von einigen Hundert Mann, sowohl Fußsoldaten als auch berittene Krieger. Dazu kamen eventuell noch Bogenschützen.
    In den Wochen, die Will nun schon in Seacliff war, hatte er das Heer noch nicht ein einziges Mal beim Exerzieren gesehen. Darüber hinaus waren die Heeresschüler unter der Aufsicht von Sir Norris und seinen beiden Adjutanten nachlässig im Drill. Auch wenn Will in diesen
Dingen nicht vom Fach war, schienen ihm ihre Fähigkeiten weit hinter jenen ihrer Kameraden an anderen Heeresschulen hinterherzuhinken.
    Der einzige Bereich, in dem Seacliff alles übertraf, war die Küche. Küchenmeister Rollo war tatsächlich ein Meister seines Faches. Er konnte durchaus mit Meister Chubb von Burg Redmont mithalten, der zu den Besten im Land gehörte. Vielleicht war das ein Teil des Problems, überlegte Will. Das Leben in Seacliff war zu sicher, zu wenig ereignisreich.
    Und insgesamt viel zu bequem.
    Er war inzwischen schon einige Male zum Festland übergesetzt und hatte sich andere Dörfer angesehen, die innerhalb eines Tagesrittes im Umkreis der Burg lagen. Bei manchen dieser Gelegenheiten hatte er die Zeichen seines Amtes als Waldläufer abgelegt und sich wie ein einfacher Bauer gekleidet. Die Leute redeten dann in seiner Gegenwart viel freier. Will