Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
noch einmal mehr klar, dass seine Gefährtin aus Kindertagen eine Ausbildung durchlaufen hatte, die sicher genauso hart gewesen war wie seine eigene. Plötzlich kam
ihm ein Gedanke, als er sich an ihre Unterhaltung von vorher erinnerte.
»Ich glaube nicht, dass es so weit kommen muss«, meinte er. »Hilf mir, die Pferde zu satteln, dann sage ich dir, was wir tun werden.«
Gundar beugte sich vor und schnitt sich ein Stück Kalbfleisch vom Haken, der über dem Feuer hing. Er blies auf das heiße Fleisch, dann biss er hinein und nickte zufrieden. Gleich würde es fertig sein. Es war von einem Jährling, zart und mit ein wenig Fett durchzogen und mit dem rauchigen Geruch des Feuers, das den Geschmack des Fleisches überlagerte. Er sah sich in der Lichtung um. Seine Männer waren damit beschäftigt, die letzten Reste Kalbfleisch zu räuchern. Das Lammfleisch war bereits in Stücke zerteilt und gesalzen. In wenigen Stunden wären sie fertig zum Ablegen. Dann wäre es Zeit für ein paar Stunden Schlaf, bevor die Flut sie auf ihre verspätete Abreise über die Sturmweiße See brachte.
Die Flammen und der Rauch von einem halben Dutzend kleiner Feuer erleuchten die Umgebung und warfen verrückte Schatten in die umstehenden Bäume. Der Kopf der Galionsfigur schien in all dem Rauch zu schweben und das Licht der Flammen spielte auf den geschnitzten Zähnen des hölzernen Wolfskopfs.
»Gundar!« Es war Jon Tarkson, einer seiner Matrosen, der vom Rand der Lichtung aus rief. Gundar wendete neugierig den Kopf und bemerkte einen undeutlichen Schatten in der Dunkelheit. Erst als er genauer hinsah, erkannte er den Waldläufer. Er kam zu Pferd und
führte ein zweites Tier mit sich, das mit einem großen Bündel beladen war.
Gundar hob die Hand zum Gruß und ging auf ihn zu. Er hatte angefangen, den jungen Waldläufer zu mögen. Er achtete die Art und Weise, wie Will vertrackte Aufgaben löste, und bewunderte seinen Mut.
»Gegrüßt seid Ihr!«, rief er.
Will erwiderte den Gruß, dann glitt er aus dem Sattel. Als Gundar näher kam, erkannte er, dass das Bündel über dem zweiten Pferd ein Mann war – bewusstlos und gefesselt. Er deutete mit dem Daumen auf die reglose Gestalt.
»Hat Euch jemand auf dem falschen Fuß erwischt, Waldläufer?«, fragte er.
Will lächelte. »Das könnte man so sagen. Er hat sich hier in der Gegend sehr ungut hervorgetan. Mir kam der Gedanke, dass er Euch vielleicht nützlich sein könnte.«
Gundar runzelte die Stirn und wischte sich mit dem Handrücken Fett vom Kinn. »Nützlich?«, wiederholte er. Ich habe meine Mannschaft vollständig, danke. Ich brauche keine ungeübten Landratten an Bord der Wolfswolke .« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Nehmt mir meine Offenheit nicht übel.«
Will hob die Hand. »Aber nicht doch. Nein, eigentlich wollte ich ihn nicht als Mitglied der Mannschaft anbieten. Ich dachte, Ihr könntet ihn vielleicht als Sklaven mitnehmen. Ihr habt doch noch Sklaven in Skandia, oder?«
Gundar betrachtete Will neugierig. Der Bursche war wirklich nicht auf den Kopf gefallen und immer wieder
für eine Überraschung gut. Es war ein magerer Beutezug für die Männer der Wolfswolke gewesen, wie Will schon bei ihrer ersten Begegnung richtig vermutet hatte. Ein gesunder Sklave wäre leicht zu verkaufen, wenn sie nach Hallasholm zurückkamen.
»Ja, wir haben noch Sklaven«, bestätigte Gundar. Er trat näher und musterte den Bewusstlosen genauer. Er packte ihn am Haar, um sich das Gesicht anzusehen. Der Mann war um die dreißig und sah groß und kräftig aus.
»Ist er gesund?«, fragte er.
Will nickte. »Abgesehen von einer kleinen Beule am Kopf ist er so munter wie ein junges Reh.« Will dachte an die grausame Wunde der Hündin und die Gerüchte, dass Buttle vielleicht sogar verantwortlich für eine Reihe von Morden war. »Er könnte sicher viele Stunden am Paddel aushalten.«
Das war die schlimmste Arbeit für die Sklaven der Nordländer. Es waren große hölzerne Paddel, die im Winter das Brunnenwasser vor dem Gefrieren bewahrten. Dabei wurden die Sklaven jedoch nass gespritzt, bis sie irgendwann bis auf die Haut durchnässt waren von dem eiskalten Wasser. Während seiner Zeit als Sklave der Nordländer hatte Will auch an den Paddeln geschuftet. Diese Plackerei hätte ihn beinahe umgebracht, wenn Erak nicht Mitleid mit ihm gehabt und ihm zur Flucht verholfen hätte.
Gundar schüttelte den Kopf. »Der Oberjarl hat die Paddel abgeschafft«, sagte er. »Außerdem wäre es
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