Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
Dutzend Menschen, die sich um ihn scharten, niemand war, den man als normal gewachsen bezeichnen konnte. War dies das Ergebnis von Malkallams schwarzer Kunst? Dann war es ein großer Fehler, den kranken Orman hierher gebracht zu haben. Ein Zauberer, der Menschen so verunstaltete, würde wohl kaum helfen, den Herrn der Burg von einer Vergiftung zu heilen.
Nach den ersten Schritten aus dem Schatten des Waldes heraus hielten die seltsamen Wesen wie auf ein geheimes Kommando an. Will blickte zur Hündin, die sich jetzt langsam vor ihm auf die Hinterbeine setzte. Reißer schnaubte und schüttelte den Kopf wie zur Warnung. Von dem Zauberer war nichts zu sehen, außer er war selbst eine dieser missgestalteten Kreaturen, aber irgendwie
bezweifelte Will das. Nach allem, was er bisher über ihn gehört hatte, war es wahrscheinlicher, dass er der Schöpfer dieser … Wesen war.
»Waldläufer …« Xanders Stimme war leise und angsterfüllt.
Will blickte zu ihm. Der kleine Mann deutete auf die andere Seite. Will folgte seinem Blick und schluckte aufgeregt.
Der Riese kam langsam auf sie zu. Fast zögernd machte er einen Schritt nach dem anderen. Währenddessen kam von den anderen ein leises, wortloses, aber drängendes Murmeln.
Will hob langsam den Bogen, einen Pfeil bereits an der Sehne. »Das ist weit genug!«, sagte er ruhig.
Der Riese hatte etwa die Hälfte der Entfernung zurückgelegt. Er machte noch einen Schritt. Jetzt stand er in der Mitte der Lichtung, und Will kam zu dem Schluss, dass er ihn nicht viel näher herankommen lassen durfte. Mit diesen unglaublich großen Händen konnte er ihm und Xander jedes Glied einzeln ausreißen.
»Halt!«, rief er etwas lauter.
Der Riese sah ihn an. Obwohl Will auf Reißer saß, befanden sich ihre Augen auf gleicher Höhe. Der Riese runzelte die Stirn und schien einen weiteren Schritt machen zu wollen.
Will zog die Sehne zurück, zielte auf die Brust des Riesen, dorthin, wo sein Herz sitzen musste.
»So groß du auch bist, dieser Pfeil wird dich durchbohren«, rief er, bemühte sich jedoch, ganz ruhig zu bleiben.
Der Riese zögerte.
Will sah, wie er die Stirn runzelte. War das Verwirrung? Wut? Angst? Man konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Die Gesichtszüge dieses Hünen waren so seltsam, dass es schwierig war, seine Miene zu deuten. Aber zumindest war er stehen geblieben. Von den anderen Wesen am Rande der Lichtung kam ein Seufzer. Was hatte das zu bedeuten? Wieder hatte Will keine Ahnung, was er davon halten sollte.
Was jetzt?, überlegte er. Wir können ja wohl kaum so stehen bleiben und uns gegenseitig anstarren. Wäre er alleine gewesen, hätte er sich darauf verlassen, dass Reißer ihn notfalls davontrüge. Aber er konnte Xander und Orman nicht im Stich lassen.
»Seht doch!«, sagte Xander atemlos und deutete auf die Hündin.
Sie war aufgestanden und lief nun über die Lichtung auf den Riesen zu. Will wollte sie schon zurückrufen, hielt aber inne und löste auch die Spannung des Bogens, da er bemerkt hatte, dass das Tier mit dem Schwanz wedelte.
Der Riese blickte mit großen Augen auf das Tier, das genau vor ihm anhielt. Dann verschwand das Stirnrunzeln und er ging mit einem Knie auf den Boden und streckte die Hand hin.
Die Hündin ging noch einen Schritt weiter, setzte sich zu seinen Füßen, und er kraulte sie zwischen den Ohren und streichelte sie. Sie schloss die Augen vor lauter Wohlgefallen und drehte leicht den Kopf, um seine Hand zu lecken.
»Er weint!«, sagte Xander leise.
Und das stimmte. Tränen liefen über das blasse Gesicht des Riesen.
»Wisst Ihr«, meinte Xander, »ich glaube, er ist harmlos. Nur gut, dass Ihr ihn nicht erschossen habt.«
»Dem stimme ich zu«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. »Und würdet Ihr jetzt bitte die Freundlichkeit haben, mir zu sagen, was zum Teufel Ihr in meinem Wald zu suchen habt?«
W ill wirbelte im Sattel herum und hob den Bogen. Auch diesmal zögerte er.
Er wusste eigentlich gar nicht, wie er sich Malkallam vorgestellt hatte.
Keinesfalls hatte er diesen schmächtigen Mann erwartetet, der sogar noch etwas kleiner als Will selbst war. Er hatte federdünnes graues Haar, das seitlich über einen kahlen Kopf gekämmt war, eine ziemlich große Nase, große Ohren und ein leicht fliehendes Kinn. Seine Robe war aus einfachem, braunem, handgesponnenem Tuch und ähnelte einer Mönchskutte, und trotz des winterlichen Wetters trug er Sandalen.
Doch die größte Überraschung waren die Augen. Die Augen eines
Weitere Kostenlose Bücher