Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
der Lichtung des Heilers.«
Diesen Ortsnamen hatte er spontan gewählt, denn er hoffte, dass ein solcher Name die Lage ein wenig entschärfte. Als die Nordländer den Waldläufer sahen und hörten, ließ die Anspannung unter ihnen sichtlich nach. Trobar trat zur Seite. Will ging weiter, um die Nordländer zu begrüßen. Horace folgte ihm.
»Ich nehme an, das sind unsere Männer?«, fragte er gelassen.
Will warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Deine Männer«, erklärte er. »Du wirst sie befehligen, nicht ich.«
Horace grinste und wusste natürlich genau, was er von dieser Antwort zu halten hatte.
»Ich werde sie befehligen«, sagte er, »solange wir genau das tun, was du uns sagst, stimmt’s?«
Er hatte Erfahrungen mit Waldläufern und wusste, wie sie vorgingen. Sie behaupteten, nur Ratgeber im Hintergrund zu sein, dabei waren sie Meister darin, den anderen um zwei Ecken zu sagen, was sie zu tun hatten. Horace hatte gesehen, wie Walt das vor fünf Jahren mit den Nordländern gemacht hatte. Horace hatte keine Zweifel, dass sein Lehrling diese Fähigkeit ebenfalls beherrschte.
Will hatte den Anstand, bei dieser Bemerkung zu grinsen. »Na ja, vielleicht so ähnlich«, gab er zu.
Gundar war ein paar Schritte auf sie zugegangen. Er hob die Hand als Zeichen der Freundschaft.
»Gegrüßt seid Ihr, Will Hallas«, sagte er. »Dies ist ein eigenartiger Ort, an den Ihr uns gelotst habt.«
Will nickte. »Eigenartig, Gundar, aber nicht unfreundlich. Niemand hier hat Euch gegenüber Vorbehalte.«
»Außer vielleicht dieser blöde Sekretär«, warf Horace leise ein.
»Klappe, Horace«, sagte Will genauso leise und
fuhr dann lauter fort: »Gundar, darf ich Euch meinen Freund Sir Horace vorstellen.«
Horace und Gundar schüttelten sich die Hände, und bei der gegenseitigen Musterung war jeder zufrieden mit dem, was er sah.
Horace war jung, bemerkte Gundar. Aber sein Gesicht trug die Merkmale gewisser Erfahrungen im Kampf – eine Narbe und eine gebrochene Nase. Und doch waren es nicht so viele Anzeichen, dass sie den Schluss nahelegten, er hätte immer nur einstecken müssen.
Horace andererseits sah einen typischen Nordländer: kraftvoll, furchtlos, erfahren – ein Mann, der seine schwere Streitaxt mit gekonnter Leichtigkeit trug und einem offen ins Gesicht sah. Ein Mann mit einem Händedruck, der problemlos Nüsse knacken konnte. Mit fünfundzwanzig Männern wie ihm, dachte Horace, konnte man vielleicht wirklich die Burg erstürmen.
»Sir Horace ist der Befehlshaber für den Angriff?«, fragte Gundar.
Will nickte. »Richtig. Selbst eine kleine Armee wie unsere braucht einen General und Horace ist dafür bestens ausgebildet.«
Gundar zuckte mit den Schultern, er hatte nichts einzuwenden.
Gundars Meinung nach war ein Kommandant im Grunde genommen entbehrlich. Er konnte sich über so unwichtige Dinge wie Taktik und Strategien Gedanken machen. Nordländer waren an solchem Kleinkram
nicht interessiert. Soweit es Gundar betraf, bestand die Hauptaufgabe eines Kommandanten darin, für seine Männer Kampfgelegenheiten zu schaffen.
Aber leider war die Sache damit noch nicht erledigt. Wie so oft gab es auch hier jemanden, der bei Horace nur seine Jugend sah, und wie bei den Nordländern so üblich, verlor er keine Zeit, seine Ansicht zu verkünden.
»Das meinst du vielleicht, Gundar«, sagte er mit lauter Stimme, »aber ich nehme keine Befehle von einem Jungen entgegen, der noch feucht hinter den Ohren ist.«
Horace stieß einen kleinen Seufzer aus, der seine Ungeduld angesichts dieses immer wiederkehrenden Problems verriet. Will verkniff sich ein Grinsen. Er wusste, dass Horace genug Erfahrung mit dieser Situation hatte.
Jemand mit weniger Selbstsicherheit hätte sich vielleicht aufgeplustert und herumgeschrien, um den Respekt der Nordländer einzufordern. Was natürlich der völlig falsche Weg gewesen wäre. Nordländer legten auf Worte nicht so viel Wert. Stattdessen lächelte Horace, machte einen Schritt nach vorne und bedeutete dem anderen, das Gleiche zu tun.
Sein Gegenüber war ein großer Mann, nur unwesentlich kleiner als Horace, aber dafür breiter. Horace, der Gundars Meinung hinsichtlich im Kampf erworbener Narben teilte, bemerkte voller Interesse, dass dieser Mann viele davon hatte. Sein langes Haar trug
er in zwei Zöpfen, der dichte Bart war verfilzt und es befanden sich darin sichtbare Hinweise auf seine letzten Mahlzeiten. Er trug eine große Streitaxt und einen riesigen Eichenschild,
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