Die Chroniken von Araluen - Die Schwertkämpfer von Nihon-Ja
kleine Lager am Taleingang. Dort gab es nur wenig Bewegung. Die Männer, die sich blicken ließen, waren in schwere Kleidung und Felle gehüllt. Er vermutete, dass sich die meisten von ihnen in den dürftigen Schutz ihrer Zelte zurückgezogen hatten, wo sie ausgekühlt, niedergeschlagen und schlecht gelaunt warteten. Nach einer Weile wäre ihnen alles egal und sie würden nur noch Wärme und Schutz vor dem beißenden Wind suchen. Das bedeutete, ihre Wachsamkeit würde nachlassen. Niemand rechnete wirklich damit, dass Shigeru und seine kleine Schar von Unterstützern hinter dem Schutz der Palisade hervorkämen, außer sie wollten einen Fluchtversuch unternehmen. Und ein paar Wachposten konnten einen solchen Versuch frühzeitig aufdecken. Wie Walt schon bemerkt hatte, dienten sie sozusagen als Korken im Flaschenhals, um den Kaiser an der Flucht zu hindern.
»Sie sind ziemlich ungeschützt, oder?«, sagte Will.
Walt blickte ihn an. »Was Kälte und Schnee angeht?«
Will kaute gedankenverloren auf seiner Unterlippe. »Ja. Aber auch gegenüber einem möglichen Angriff von unserer Seite.«
Walt betrachtete schweigend die Zeltreihen und stellte fest, dass Will recht hatte. So wie es aussah, wären die Männer in diesem Lager in erster Linie damit beschäftigt, sich warm zu halten. Nach allem, was er von Ariksaka gehört hatte, befanden sich dort wahrscheinlich auch die Überlebenden des Angriffs auf die Palisade, sozusagen als Bestrafung für ihr Versagen.
»Du würdest Männer durch Mikerus Pass herunterbringen?«, fragte er.
Der junge Kikori blickte hoch und grinste bei der Erwähnung seines Namens. Ihm gefiel die Idee, dass der geheime Weg nach ihm benannt wurde. Vielleicht würde auch diese Stelle hier eines Tages Mikerus Ausguck genannt werden.
»Ja«, antwortete Will. »Wir könnten die Männer nachts herunterbringen. Sie würden sich dann heimlich unten versammeln und das Lager angreifen, bevor der Gegner überhaupt bemerkt hat, dass wir da sind.«
Walt ließ den Blick über das Gelände schweifen und nickte. »Dreißig oder vierzig Senshi könnten ziemlich viel bewirken«, sagte er. »Besonders wenn niemand mit ihrem Angriff rechnet.«
Viele der verwundeten Senshi aus Shigerus Truppe waren inzwischen wieder genesen und kampfbereit. Also stünden genügend Krieger zur Verfügung.
Will schüttelte den Kopf. »Ich dachte eigentlich an etwa hundert Kikori.«
Eine Weile herrschte Schweigen. Walt war nicht überrascht. Er hatte bereits geahnt, was Will im Sinn hatte. Sein Plan hatte einige Vorteile, aber Walt musste natürlich auch die möglichen Schwachstellen ansprechen, um sicher zu sein, dass sein früherer Lehrling nicht einfach nur versessen da rauf war, die Taktiken auszuprobieren, die er den Kikori beigebracht hatte.
»Sie sind noch unerfahren in der Schlacht«, gab er zu bedenken. »Übung allein ersetzt niemals die Erfahrung im Kampf.«
»Umso mehr Grund, es zu wagen«, fand Will. »Dies ist die Gelegenheit, um ihnen die Erfahrung zu vermitteln, die sie brauchen. Der Feind ist demoralisiert und ausgekühlt und erwartet keinen Angriff. Zudem sind es nur etwa hundertfünfzig Mann. Wir haben es nicht mit Arisakas Hauptarmee zu tun. Wir schlagen kurz und heftig zu, dann ziehen wir uns zurück, während Arisakas Männer sich noch fragen, was eigentlich geschehen ist. Wenn der Plan klappt, gewinnen die Kikori enormes Selbstvertrauen und Kampfgeist.«
»Und wenn nicht?«, fragte Walt.
Will begegnete gleichmütig seinem Blick. »Wenn er jetzt nicht klappt, wo alle Vorteile auf unserer Seite liegen, dann werden wir erst recht große Schwierigkeiten haben, wenn der Frühling kommt und wir fünfmal so vielen Senshi gegenüberstehen. Andererseits können wir Arisaka vielleicht eine blutige Nase verpassen und den Kikori zeigen, dass sie den Senshi in einer Schlacht gewachsen sind und sie besiegen können. Und das ist am wichtigsten.«
»Ich denke, du hast recht«, sagte Walt. »Wann willst du losschlagen?«
»Sobald wie möglich«, sagte Will. »Wieso sollten wir es jetzt noch länger hinausschieben? Ein paar Übungstage mehr oder weniger, das macht für die Kikori keinen Unterschied mehr.«
Vierzig
E vanlyn blickte über die Bootswand nach unten, während sie auf das Ufer zuglitten. Das Wasser war klar und rein und sah aus, als sei es gerade mal knietief. Aber sie hatte in den vergangenen fünf Tagen gelernt, wie trügerisch das sein konnte. Am dritten Tag hatte sie schon einmal gedacht, das Wasser sei
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