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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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zu pieksen. »Au... Au... Au!«, sagte Ed. »Warum tun Sie das?«
    »Ich will sehen, wo du am zartesten bist«, sagte die Feiste Hexe gut gelaunt. »Außerdem macht es Spaß!«
    Was für eine widerliche Person, dachte Ed. Zum ersten, aber leider noch lange nicht letzten Mal in seinem Leben war der Junge entsetzt, dass ihm eine solche Schreckschraube je gefallen hatte. »Was ist der Unterschied zwischen einem Schlitten und einem Toboggan?«, fragte er.
    Die Königin trug gerade ihre tägliche Kalorienaufnahme in ein kleines Notizbuch ein. Eine derart maßlose Verfressenheit wie die ihre erforderte eine enorme Disziplin, und die Königin bildete sich etwas darauf ein, dass sie eine strenge Diät von einhunderttausend Kalorien pro Tag einhielt.
    »Hör mal zu«, sagte sie mürrisch (denn sie hatte gerade festgestellt, dass sie noch weit unter ihrem Pensum lag), »dass ich dich vorhin nicht gegessen hab, heißt noch lange nicht, dass du mir dumme Fragen stellen darfst.« Sie wandte sich ab und drehte sich dann wieder zu ihm um. »Und ich werde dich essen, ich spare dich nur für den Nachtisch auf.«
    Bevor Ed antworten konnte, geriet der Schlitten in eine Schlammpfütze. Eine der Kufen blieb stecken. Es war nur ein kurzer Moment, aber das Gefährt war so schwer und so schnell unterwegs, dass der Kutscher durch die plötzliche Verzögerung hoch in die Luft geschleudert wurde. Mit einem unangenehmen Knirschen fiel der Zwerg zu Boden.
    »Hör auf mit dem Unsinn!«, blaffte die Feiste Hexe. »Das Geräusch hast du nur gemacht, um Mitleid zu erregen.«
    »Schnauze, Euer Majestät«, stöhnte der Zwerg benommen, während er vorsichtig seine inneren Organe abtastete.
    »Was hast du gesagt?«, schrie der königliche Fettkloß, aber der Zwerg hatte vorübergehend das Bewusstsein verloren. Unterdessen hatten sich mehrere Rentiere ausgeschirrt (schließlich waren sie etwas Besonderes, genau wie der Kutscher der Königin behauptet hatte) und scharten sich nun um ihren gefallenen Anführer. In der Hoffnung, ihn aufzuwecken, sabberten sie ihn voll.
    Einen halben Liter Spucke später zeigten ihre Bemühungen Wirkung. »Uuh«, sagte der Zwerg. »Ich glaube, ich bin auf meinem Schlüsselbund gelandet.«
    »Siehst du, genau aus dem Grund brauchen wir eine Unfallversicherung«, sagte ein Rentier zu den anderen. (In den Ohren des Zwergs, der Königin und Eds klang das natürlich nur wie ein unkoordiniertes Schnaufen und Wiehern.) »Dasselbe hätte einem von uns passieren können.« Das Rentier, ein großer Bock namens Ledernase, hob einen Huf und zeigte auf einen anderen. »Was, wenn dir was passiert, Mickergeweih? Glaubst du, sie würde irgendwas für dich tun?«
    »Nein! Die doch nicht!«, tönte es aus aller Munde.
    »Du, Stummelschwanz, wer kümmert sich um deine Kinder, wenn wir, was Gott verhindern möge, von einem Gletscher stürzen oder so was?«
    »Wir würden einfach im Schnee landen«, sagte Stummelschwanz.
    »Du träumst doch!«, sagte Ledernase. »Der Schnee schmilzt! Das ist auch gar nicht der Punkt. Der Punkt ist: Glaubt ihr, sie würde einen Hubschrauber schicken, der uns ins Krankenhaus fliegt?«
    »Nie und nimmer!«
    »Machst du Witze?«
    »Was ist ein Hubschrauber?«
    »Was ist ein Krankenhaus?«
    »Kann jemand sehen, ob ich eine Zecke auf dem Hintern habe?«
    Im Nu hatten die Rentiere der Königin sich zu einem autonomen Kollektiv erklärt, und nach kurzer Abstimmung zogen sie von dannen.
    Der immer noch ziemlich benommene Zwerg war derweil wieder auf den Schlitten gestiegen. Er wollte gerade die Zügel schnalzen lassen und das Beste hoffen, als die Hexe »Halt!« brüllte.
    »Was ist denn jetzt wieder?«, fragte der Zwerg und drehte sich um. »Ich hab den neuen Stoßstangenaufkleber angebracht, bevor wir losgefahren sind.« *
    »Darum geht es nicht, du Trottel«, sagte die Hexe. »Warum sind wir eben stecken geblieben? Kann es sein, dass der Schnee schmilzt?« Sie quoll vom Schlitten herunter und begann die Schneewehen um sie herum mit ihrer Gabel zu messen. Allerdings! Sie schrumpften.
    Angesichts dieser Demonstration klimatischen Ungehorsams verlor die ohnehin stets launische Monarchin vollends die Fassung. Sie begann, auf der Lichtung umherzulaufen und dem Schnee mit der Faust zu drohen. »Ich verbiete dir zu schmelzen!«, schrie sie. »Wenn ich nicht vor Hunger so schwach wäre... Ich brauche etwas zu essen.« Ziemlich niedergeschlagen stapfte sie zurück zum Schlitten, auf dem Ed gerade einen Schokoriegel

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