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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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verschlang, den er zermatscht unter der Fußmatte gefunden hatte. Als er die Königin auf sich zukommen sah, stopfte er sich den ganzen Riegel in den Mund. Mit tränenden Augen und schmerzhaft aufgeblähten Backen versuchte Ed, durch die Nase zu atmen. Er hoffte, dass der Riegel aufweichen würde, bevor er daran erstickte.
    »He, du! Was isst du da?«
    »Nichts«, versuchte Ed zu sagen, aber sein Mund war zu voll, daher sog er ein bisschen Nougat in seine Lungen.
    »Schon gut«, sagte die Königin, während er einen fürchterlichen Hustenanfall bekam. »Du wirst Kraft brauchen. Steig da runter und schirr dich an. Du ziehst den Schlitten.«

Wenn eine fröhliche Runde entdeckt, dass einer von ihnen sich still und leise davongeschlichen hat, fühlt sich der Rest dadurch meist irgendwie verarscht. Daher wird der heimliche Abgang in allen Benimmbüchern als höchst ungehörig verurteilt. Und das galt auch für das Abendessen mit den Biberinnen. Nachdem ein kurzer Rundgang durch die Räumlichkeiten zweifelsfrei erwiesen hatte, dass Ed verschwunden war, beschlossen die Biberinnen zu fliehen.
    »Er fuhrt bestimmt die Feiste Hexe her«, krächzte Ruth.
    »Und wenn die anrückt, wollen wir auf keinen Fall hier sein«, sagte Naomi. »Sie kann einem unglaublich auf den Wecker gehen.«
    »Wirklich?«, fragte Sue. Aus genau diesem Grund war sie als kleines Mädchen von allen geschnitten worden, und sie fand es schrecklich, wenn andere zu Unrecht heruntergemacht wurden. »Vielleicht müsste man sie nur besser kennen lernen.«
    »Oh, wir kennen sie gut«, sagte Naomi.
    »Ja, und wir hassen sie.« Ruth wandte sich an ihre Gefährtin. »Erinnerst du dich an diese fiesen Broschüren, die sie verteilt hat? In denen sie die Tiere beschworen hat, böse zu werden? Den ganzen Wald hat sie damit gepflastert. Und all die Gemeinheiten, die sie über Woody und Chip gesagt hat...«
    »Apropos, warum machst du die Jungs nicht ftir unser Treffen mit Asthma fertig?«
    Der magische Name schien zum Glück seine Wirkung zu verlieren, oder die Mägen der Kinder waren einfach zu leer, um zu rebellieren. Ruth eilte davon, und alsbald vernahmen die Perversies eine Litanei extrem nervtötender Babysprache-Sätze aus dem Nebenzimmer. Minuten vergingen. Sue und Pete spielten »Papier, Schere, Stein« in der Brutalo-Version (der Verlierer kassiert einen Faustschlag). Loo lief einfach so lange im Kreis herum, bis sie umfiel und sich den Kopf stieß.
    Naomi wurde ungeduldig. »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte sie. »Schatz, bist du bald fertig?«
    »Gleich«, sagte Ruth. »Ich stille gerade die Jungs.« 7
    Weitere Minuten vergingen. Als sie fertig gespielt hatten, saß Pete da und machte aus Langeweile irgendwelchen Nippes kaputt, während Sue sich damit beschäftigte, Loo spitze Gegenstände aus den Händen zu schlagen. Mit untrüglichem Instinkt schnappte sich Loo jeden spitzen Gegenstand, dessen sie habhaft werden konnte, und stieß ihn sich mitten ins Auge. Sue musste stets auf dem Quivive sein, besonders da ihre kleine Schwester sie von Zeit zu Zeit auszutricksen versuchte, indem sie plötzlich durchs Ohr auf ihr Gehirn zielte.
    »Liebes...«, sagte Naomi.
    »Ich mach ja schon, so schnell ich kann. Sie dürfen sich gerade ihre Lieblingsstrampelanzüge aussuchen.«
    »Um Himmels willen«, sagte Naomi. »Wozu soll das gut sein, wenn die Feiste Hexe uns am Ende doch alle auffrisst?«
    Ruth kam mit den Holzscheiten, die in einer zweisitzigen, kunstvoll aus Holz geschnitzten Kinderkarre saßen, aus dem Schlafzimmer. »Schon gut, reg dich nicht auf«, sagte sie. »Was glaubst du, wie oft sie in ihrem Leben Asthma begegnen werden? Ich möchte, dass sie hübsch aussehen. Ist das etwa zu viel verlangt?«

    Naomi geleitete Ruth, Woody, Chip und die Perversie-Kinder aus der Hütte hinaus ins Mondlicht.
    »Kommt mir gar nicht mehr so kalt vor«, sagte Loo.
    »Das liegt bestimmt am Treibhauseffekt«, sagte Sue in besserwisserischem Ton. Einen Sekundenbruchteil später traf sie ein Schneeball am Kopf.
    »Der Schnee klebt ja SUPER!«, sagte Pete. »Schade, dass Ed nicht hier ist, sonst könnte ich ihn ordentlich einseifen!« Unter normalen Umständen wäre Petes Angriff auf Sue das Signal für ein allgemeines Handgemenge gewesen. Aber ohne Ed, gegen den sie sich verbünden konnten, war es nicht dasselbe, und offen gesagt waren sie vor Hunger zu schwach, um etwas anderes zu tun, als stumpfsinnig vorwärts zu trotten.
    Loo lutschte an einem Tannenzapfen.

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