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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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»Probier mal«, sagte sie und bot den voll gesabberten Zapfen ihrer Schwester an.
    Sue lehnte ab. Nein danke, über ihre Lippen kam nur richtiges Essen. Doch Pete war zu allem bereit, zumal er nicht über die intellektuellen Fähigkeiten verfugte, die nötig waren, um den Unterschied zu erkennen. Gerade als er in den Zapfen beißen wollte, sagte Naomi: »Hier ist es.«
    »Hier ist was?«, fragte Sue.
    »Unser Sommerhaus«, sagte Ruth. »Es liegt sehr versteckt.« 142
    »Ich bin gespannt, ob die Blauhäher unsere Post herausgenommen haben«, sagte Naomi.
    »Jetzt geht das wieder los«, sagte Pete, warf den Tannenzapfen weg und hielt nach etwas Ausschau, das hart genug war, um sich daran eine Gehirnerschütterung zu holen.
    »Was ist denn mit dem los?«, fragte Naomi, während Pete seinen Schädel gegen alles Mögliche knallte.
    »Lange Geschichte«, sagte Loo. »Dafür müssten Sie das Buch lesen.«
    »Ach.« Naomi schob ein paar sorgfältig arrangierte Koniferenzweige beiseite und legte so ein Loch frei.
    »Ein Loch?«, sagte Sue naserümpfend. »Nicht mit mir.«
    »Jetzt kommt schon«, sagte Naomi. Sie mühte sich mit der Kinderkarre ab und übergab sie dann ihrer Gefährtin, die bereits in der Höhle war. »Zimperlich darf man nicht sein, wenn man auf der Flucht ist. Hier drinnen sind wir bis zum Morgen in Sicherheit.«
    Loo, die sich schon immer gewünscht hatte, lebendig begraben zu werden, krabbelte hocherfreut ins Loch. Ein plötzlicher Graupelschauer oder vielleicht auch bloß schmelzender Schnee, der von den Bäumen geblasen wurde, überzeugte Sue, dass sogar ein Erdloch besser war, als die ganze Nacht draußen zu bleiben. Und so gingen alle noch schnell pinkeln und kletterten dann in das Loch.
    Drinnen war es furchtbar eng, ein einziges Knäuel von deplatzierten Armen und Beinen. »Pete, wenn das deine Hand ist...«, warnte Sue ihren Bruder. Mit einem unüberhörbaren Grinsen verneinte Pete.
    Sue stieß ihre Faust in die Richtung, aus der seine Stimme kam. Sie verfehlte ihn und traf eine dicke Wurzel. »Verfickt!«, brüllte sie, was ein sehr unfeines Wort ist, besonders in Gegenwart einer anderen Spezies. Loo kicherte.
    Abgesehen davon, dass das Loch ein Paradies für Grapscher war, stank es darin auch noch fürchterlich. Ein durchdringender Geruch von nassem Fell lag in der Luft, und bald stellte sich heraus, dass Menschen von unverdauter Zellulose grauenhafte Blähungen bekommen. Ein Pluspunkt war jedoch, dass Loo ein paar Kellerasseln gefunden hatte, die sie essen konnte.
    »He, reiß dir nicht gleich alle unter den Nagel«, sagte Pete und sammelte eine Hand voll davon auf.

    Dank des Sauerstoffmangels fielen alle im Loch irgendwann in einen unruhigen Schlummer. Während sie schliefen sickerte Wasser von der tauenden Außenwelt in die Höhle - und so lagen die Menschen, die Biberinnen und die Ersatzkinder aus Holz gen Morgen mehrere Zentimeter tief in eisigem Schlamm.
    Sue war bereits beim ersten Morgengrauen aufgewacht -zum Glück, denn sobald die Pfütze, die sich auf dem Boden des Lochs sammelte, tief genug war, drehte sich Loo im Schlaf um und versuchte, ihre Nase darin zu vergraben, um sich zu ertränken. Sue packte Loo an den Haaren und riss ihre kleine Schwester immer wieder aus dem Jenseits zurück. Jedes Mal rollte sich Loo zurück in die Pfütze. Offenbar wollte sie unbedingt ein Autogramm vom Sensenmann.
    Erstaunlich, dachte Sue. Loo ist noch nicht mal wach. Sie schob sich eine leicht nach Kacke riechende Hinterpfote aus dem Gesicht und begann sich zu fragen, ob ein Leben beim Professor schlimmer sein konnte als das hier. Plötzlich hörte sie draußen ein Geräusch. Es klang wie lallender Gesang, durchsetzt von Rülpsern und Glockengeläut.
    Wie der Blitz schoss Naomi aus dem Loch. Sue sah, wie sie ins fahle Morgenlicht hinaussauste. Das Läuten wurde lauter, und Sue zischte: »Was ist das?«
    »Bleib da«, sagte Naomi, während die anderen sich zu rühren begannen.
    »Brauchst du Hilfe?«, flüsterte Ruth Naomi zu und krabbelte über die anderen hinweg zum Eingang der Höhle. »Ich komme.« Sie trat Pete aufs Gesicht und hinterließ einen matschigen Pfotenabdruck auf seiner Wange. »Naomi?«
    Naomi antwortete nicht.
    Da sie nicht wusste, was sie draußen erwartete, drückte Ruth der widerstrebenden Sue Woody und Chip in ihren matschdurchtränkten Windeln in den Arm. »Du scheinst mir die... nun ja, am wenigsten Verantwortungslose von euch zu sein«, sagte Ruth. »Sorg dafür, dass sie zu

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