Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
Vom Netzwerk:
verrückt gespielt. Da muss es mindestens Wirbelstürme und solche Sachen gegeben haben. Und die Bäume und die Tiere - wie haben die überlebt? Ich glaube«, sagte der Zwerg, als käme ihm eine Erleuchtung, »ich glaube, wir lagen alle in einem künstlichen Winterschlaf!«
    Die Hexe unterbrach ihre immer hektischere Suche nach einem gigantischen Plastikbeutel voll Grießpudding, den sie für die Fahrt eingepackt hatte. »Ach, halt die Klappe, ja?«, schnauzte sie ihn an. Sie war gereizt, weil sie ihren Pudding nicht finden konnte. »Das war Zauberei, du Schwachkopf] Ich hab bloß ein paar Wörter aufgesagt, meinen Zauberstab geschwenkt und - tada! - es war Winter.« In den Augen der Hexe war die Wissenschaft bloß irgendein Hokuspokus, auf den Leute, die zum Zaubern zu blöd waren, immer dann zurückgriffen, wenn sie unangenehme Tatsachen erklären wollten.
    »Aber...«
    »...uhe!«, brüllte die Hexe mit vollem Mund. »Ich eche meinen Pudda!« Lautes Schlürfen und Lippenschnalzen ertönte.
    Der Zwerg wagte es nicht, sich umzuschauen, und hielt den Mund. Seine Haare wurden von einem mächtigen Rülpser nach vorne geweht, und eine Zeit lang war das einzige Geräusch das Tröpfeln schmelzenden Schnees, immer wieder unterbrochen von Eds Grunzen und Klagen.
    »Aber warum gerade Winter?«, fragte der Zwerg schließlich.
    »Er passt besser zu meinem Teint«, sagte die Hexe und leckte ihren Löffel ab. Nun, da sie eine Kleinigkeit gegessen hatte, war sie wieder besser gelaunt. Sie legte ihren obersten Umhang ab und fächelte sich Luft zu. Der Winter ging zu Ende, aber das große Schwitzen fing gerade erst an.
    Ed spuckte die Gebissstange aus und blieb stehen. »Memo an mich selbst«, schnaufte er in seinen Finger. »Muss mich ausruhen.« Er war schlichtweg damit überfordert, den Schlitten durch den immer dicker werdenden Matsch zu ziehen, zumal er ohnehin nicht der Allerstärkste war. Seine Beine gaben nach, er fiel zu Boden und beschmierte seine Sergeant-Pepper-Satinjacke mit eisigem Schlamm.
    Die Feiste Hexe, die auf dem Rücksitz döste, wachte ruckartig auf, als der Schlitten hielt. Sie setzte sich kerzengerade hin und brüllte: »WA-AS? Du WAGST es anzuhalten?« Mitten in ihrer Schimpfkanonade verstummte sie jedoch. Ein leises Kieksen und Kichern, das von den Wurzeln eines Baumes zu ihrer Linken heraufklang, erregte ihre Aufmerksamkeit. Alle Insassen des Schlittens schauten nach unten.
    Zu ihrem Erstaunen feierten dort einige Waldbewohner eine Büroweihnachtsparty: eine Eichhörnchenfamilie, ein Satyr, eine Zwergin und ein alter Fuchs. Alle waren so fröhlich, wie ein bisschen arbeitsfreie Zeit und Unmengen von Alkohol (eine Spende des Weihnachtsmanns) es eben möglich machten. Normalerweise konnten sie einander nicht ausstehen. Besonders verhasst war der alte Fuchs, der ihr Chef war. Aber da der Weihnachtsmann vorhin bei ihnen vorbeigeschaut und der Geselligkeit ein wenig nachgeholfen hatte, wahrte man eine labile Feiertagsstimmung. Auf einem kleinen Ghettoblaster, der an eine Steckdose im Baum angeschlossen war, Hefen Weihnachtslieder. Jemand hatte Lebensmittelfarbe in den Wasserspender gekippt. Das Kieksen und Kichern kam von der Zwergin. Der Satyr versuchte gerade, sie zu überreden, sich ohne Schlüpfer auf das Faxgerät zu setzen.
    »Komm schon«, schmeichelte der Satyr. »Das wird toll. Und dann schicken wir es ans Innenministerium. Die werden keine Ahnung haben, von wem es kommt. Du hast doch keine markanten Leberflecken, oder?«
    »Ja, los!«, fügte Ed, der von dieser kleinen Szene völlig gebannt war, hinzu. Er hatte noch nie ein weibliches Wesen irgendeiner Spezies in natura nackt gesehen. Außer Loo, als sie noch ein Baby war, aber das zählte nicht.
    Die Feiste Hexe stand aufrecht im Schlitten. Niemand beachtete sie. Sie räusperte sich. Immer noch nichts. Schließlich setzte sie das Ende ihrer Gabel an die Lippen, blies hinein und erzeugte ein abgehacktes Tröten. Die Partygäste verstummten, aber nur ganz kurz.
    Ein erwachsenes Eichhörnchen betrachtete nachdenklich die Flasche in seiner Hand. »Ach du Schande, von dem Zeug kriege ich Halluzinationen. Ich bilde mir schon Geräusche ein.«
    »Es könnte auch ein Gehirntumor sein«, sagte seine Frau und drehte sich dann zu einem ihrer Sprösslinge um. »Du hast genug gegessen«, sagte sie, nahm ihm einen Keks weg und stopfte ihn sich in den Mund. »Die sind Klasse«, meinte sie, schnappte sich den Teller und begann das Gebäck in sich

Weitere Kostenlose Bücher