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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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Jahrhundert aufbringen sollte, trieben die Biber die Perversie-Kinder immer weiter durch den Wald. Bergauf und talab marschierten sie, beklagten sich tapfer und versuchten, sich keine allzu großen Sorgen wegen der rasanten Klimaveränderung zu machen.
    »Keine Angst«, sagte Pete. »Das Klima ändert sich in Wirklichkeit gar nicht. Das sind bloß ein paar Umweltaktivisten, die uns mit Hilfe von irgendwelchen pseudowissenschaftlichen Statistiken Bange machen wollen.«
    Sue, die Einzige von ihnen, die etwas über die Jahreszeiten wusste (die anderen interessierten sich für so etwas nicht die Bohne), war überzeugt, dass die Erdachse sich verschoben hatte und der Blaue Planet auf die Sonne zuraste.
    »Cool!«, sagte Loo, dann ließ sie sich auf den Boden fallen, um der Erde einen zusätzlichen Schubs zu geben.
    Die drohende globale Katastrophe relativierte alle anderen Probleme, sogar den Hunger, der immer noch an ihren Mägen nagte. Pete hatte in der Hoffnung auf ein paar Nährstoffe begonnen, an seinem Gürtel zu lutschen.
    »Solltet ihr auch mal probieren«, sagte er zu seinen Schwestern. »Das erinnert zumindest an was Essbares.« Loo kaute auf den Fransen ihrer Jacke herum, aber davon bekam sie nur einen komischen Geschmack im Mund.
    Überall um sie herum sangen die Vögel, und die Tiere paarten sich, wobei sie übereinander herfielen wie, nun ja, Tiere. Und wer konnte es ihnen verdenken? Es waren lange, kalte und sehr einsame hundert Jahre gewesen.
    »Was machen die Tiere da?«, fragte Loo ihre Schwester und zeigte auf ein Paar verliebte Murmeltiere.
    »Ähm...«, sagte Sue ausweichend, »die spielen.«
    »Echt?«, fragte Loo. »Eins davon schreit.«
    »Geht doch ins Hotel!«, brüllte Naomi.
    »Pass lieber auf, wo du hintrittst«, sagte Sue, »sonst verlierst du noch deinen zweiten Schuh.«
    »Ich hab auch meine Socke verloren«, sagte Loo.
    Mitten in der Brunftzeit den Wald zu durchqueren war nicht der einzige unangenehme Aspekt der Reise. Der Gestank, der in der Luft hing, war unbeschreiblich, besonders in den Mulden und Tälern, wo sich ein ekelhafter, hundertprozentig natürlicher Modder zusammengebraut hatte. Durch die plötzliche Wärme begannen Tonnen von aufgetautem organischem Material eifrig zu verfaulen. Überall um sie herum liefen hundert Jahre Verwesung innerhalb weniger Stunden ab. Millionen von Maden und Asseln wimmelten unter ihren Füßen, und der süßliche Verwesungsgeruch raubte ihnen den Atem.
    »Ich weiß, das ist der Lauf der Natur«, sagte Ruth, »aber ich wünschte, es hätte wenigstens noch so lange gedauert, bis wir bei Asthma sind.«
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Naomi.
    Eine Stunde später fragte Loo: »Sind wir bald da?«, und sie hielten inne, um mit einer kleinen Zeremonie das zehntausendste Mal zu begehen, dass sie diese Frage gestellt hatte. Mit »Zeremonie« meine ich natürlich fünf rasche, scharfe Klapse auf den Po.
    Gerade als die Kinder glaubten, sie könnten keinen Schritt mehr weitergehen (oder als der Autor es leid war, sie dabei zu schildern) stiegen sie einen Hügel hinauf, und da war es: eine nach allen Seiten offene, grüne Rasenfläche mit einem fürstlichen Ausblick über den Wald. Hier gab es keinen stinkenden Matsch und keine Schmatzgeräusche verursachenden sexgeilen Tiere, sondern nichts als hellen Sonnenschein und eine frische, salzige Brise, die vom Meer herüberwehte. In einiger Entfernung war ein riesiges rechteckiges Objekt zu erkennen. Es sah ungeheuer alt aus, war direkt aus dem Fels gehauen und mit Graffiti überzogen.
    »Das ist die Steinerne Badewanne«, sagte Naomi mit gedämpfter Stimme.
    Loo, die jeglichen Kontakt mit Seifenwasser zu vermeiden suchte, verspürte einen Stich der Angst. »Und was ist das?«, fragte sie und zeigte auf ein großes beigefarbenes Festzelt. Auf dem im Wind flatternden Banner war »Willkommen in Stutts, Abiturienten von 1952« durchgestrichen und durch ein ziemlich schludrig hingeschmiertes »Willkommen, Asthma« ersetzt worden.
    »Genau«, fügte Sue hinzu. »Was hat das zu bedeuten?« Doch bevor eine der Biberinnen Zeit zum Antworten hatte, stieg Pete ein Geruch in die Nase.
    »Essen!«, schrie er und sprintete auf den Pavillon zu. Sue und Loo folgten ihm auf dem Fuße.
    Als die Tiere, die im Zelt herumstanden und plauderten, die Perversie-Kinder auf sich zustürmen sahen, machten sie klugerweise den Weg zum All-you-can-eat-Buffet frei. In vollem Galopp erreichten die Kinder den Tisch mit den Warmhalteplatten und

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