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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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angelte etwas aus seinem Bündel und gab es Pete. »Hier.« Es war ein kleiner Knochen.
    »GOTT SEI DANK!«, rief Pete aus. Hocherfreut biss er hinein - und spuckte den Knochen wieder aus. »Der ist ja aus Gummi!«
    »Natürlich«, sagte der Weihnachtsmann.
    »Er sieht benutzt aus«, sagte Sue.
    »Ist er vielleicht auch«, sagte der Weihnachtsmann. »Ich weiß nicht mehr, wo ich ihn herhabe. Das ist ein Kauspielzeug.«
    »Was in aller Welt soll ich mit einem verdammten Kauspielzeug?«, fragte Pete und schickte sich an, es wegzuwerfen. Für ihn war die Welt zweigeteilt: in Dinge, die man werfen konnte, und Dinge, von denen man erst noch herausfinden musste, wie sie sich werfen ließen.
    Sue hielt seinen Arm fest. »Nicht«, sagte sie. »Denk dran, wir sind in einem Buch. Vielleicht brauchen wir es noch.«
    »Kluges Mädchen«, sagte der Weihnachtsmann. »Hier ist deins. Ich hab es aus New Orleans.«
    Sue betrachtete den glänzenden grünen Gegenstand. Es war ein schmutziger Papierkegel mit der Aufschrift »Happy Mardi Gras«, ein billiger Krachmacher. Auf dem weißen Mundstück aus Plastik war Lippenstift. Angewidert wischte sie ihn ab, blies einen leisen Ton und verzog dann das Gesicht. »Das schmeckt nach Zigaretten«, sagte sie.
    Pete lachte. »Von meinem krieg ich zumindest keinen Herpes«, sagte er hämisch.
    »Von meinem krieg ich wenigstens nicht die Tollwut«, ätzte Sue zurück.
    Es war ein schöner Morgen. Im Licht des Sonnenaufgangs wirkten jeder herabfallende Tropfen und jedes kleine Rinnsal wie aus goldenen Diamanten. Zu schade, dass sie sich ihre Weggenossen nicht aussuchen konnten.
    Im Gänsemarsch zogen sie flotten Schrittes durch den Wald. Die Biberinnen gingen voraus, die Perversie-Kinder zottelten hinterher. Sie zankten sich die ganze Zeit und bogen Tannenzweige zurück, um sie dem Nächsten ins Gesicht schnellen zu lassen. Die Biberinnen hatten es längst aufgegeben, die Kinder ruhig halten zu wollen, doch sie hatten herausgefunden, dass sie mit etwas Übung den ständigen Wechsel von mit relativ harmlosen Obszönitäten durchsetztem Gehänsel und Geheul ausblenden konnten.
    »Seit wann ist der Weihnachtsmann eigentlich so sarkastisch?«, fragte Ruth
    »Da, ein Loch. Pass auf, dass du dir nicht den Knöchel verknackst«, sagte Naomi und stieg darüber hinweg. »Er ist ein hoffnungsloser Alkoholiker, Liebes. Hast du sein Gesicht gesehen? >Die Bäckchen zartrosa? Die Nas’ rot und dick?< Offensichtlicher geht’s nicht.«
    Ruth schüttelte traurig den Kopf. »Das ist doch furchtbar.« Eine Weile gingen sie schweigend einher. Gerade als Loo aufjaulte - sie hatte sich den Knöchel verknackst -, sagte Ruth zu Naomi: »Ich finde wirklich, wir sollten uns überlegen, ob wir nicht zum Judentum konvertieren wollen.«

Gewiss waren alle in Blarnia hocherfreut, dass der Winter an Härte verlor, doch Ed, der versuchte, den schwer beladenen Schlitten durch den immer tiefer werdenden Morast zu zerren, war davon alles andere als begeistert.
    »Diese Tarnkappenfunktion bringt überhaupt nichts!«, rief die Feiste Hexe und schlug die schwere Decke zurück.
    »Das war Eure Idee«, murmelte der Zwerg.
    »Hast du etwas gesagt?«, fragte die Hexe gereizt.
    »O nein, Euer Travestät.«
    Die Hexe stutzte, dann fuhr sie fort: »Es ist verdammt stickig darunter. Ich fühle mich wie lebendig begraben!«
    »Schön wär’s«, murmelte der Zwerg.
    »Wie war das?«, sagte die Feiste Hexe.
    »Ich habe gesagt: >Wie Ihr wünscht<, Euer Majestät«, sagte der Zwerg.
    »Nein, hast du nicht«, sagte die Hexe.
    Es gefiel dem Zwerg nicht, welche Richtung das Gespräch nähm, daher trieb er Ed ein bisschen mit der Peitsche an. Bislang hatte das die Hexe jedes Mal zum Lachen gebracht. Aber selbst die besten Witze nutzen sich irgendwann mal ab. Also versuchte der Zwerg, Ihre Wabbeligkeit in eine Diskussion über Meteorologie zu verwickeln.
    »Sagt einmal, wie habt Ihr das eigentlich gemacht?«, fragte
    er und schaute sich zu ihr um. »Habt Ihr einer Wetterfront befohlen, ein ganzes Jahrhundert lang über uns zu bleiben?«
    Äußerst desinteressiert musterte die Hexe im fahlen Morgenlicht ihre Nagelhäutchen. »Ich glaub schon. Darüber habe ich gar nicht nachgedacht.«
    »Aber wenn es immer geschneit hat, ohne jemals zu tauen, hätten wir dann nicht irgendwann unter dem Schnee begraben sein müssen? Wie habt Ihr das in den Griff gekriegt? Und was ist mit den an Blarnia grenzenden Gebieten? Das Wetter dort hat doch bestimmt total

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