Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)
kippen drohte. Mit einem schnellen Schritt stand er vor Thobor und murmelte beschwörend: „Bruder, erzähl doch Raron von Petes Fortschritten. Er wird sich bestimmt freuen, dies zu hören.“ Mit diesen Worten öffnete Bordan die Tür und schob, unter großer Anstrengung, den schmollenden Thobor aus seiner Hütte.
Bordan rief zwei Frauen herbei, die Gemüse, Früchte und Fleisch auftischten und ebenso rasch verschwanden wie sie gekommen waren. Pete und Bordan setzten sich wortlos hin und machten sich gierig über die frische Nahrung her. Als Pete einige Bissen verschlungen hatte, schaute er auf zu Bordan, legte beide Hände auf den hölzernen Tisch und sagte ruhig: „Bordan? Kannst du mir eine Frage beantworten?“ Seine selbstbewusste Art zu fragen überraschte selbst ihn. Da er schon dabei war, beschloss er, gleich fortzufahren.
Bordan kaute schmatzend und vergnügt auf einem großen Stück Fleisch, wovon ihm noch mindestens ein Drittel aus dem Mund hing.
„Was gibt’s, Pete?“, fragte Bordan gelangweilt.
„Hat dir dein Bruder Thobor etwas über meinen Vater erzählt?“
„Nun, dass du so stark oder noch stärker werden kannst als er“, antwortete Bordan kauend.
„Sonst nichts?“
„Nein, sonst nichts, Pete. Das ist alles.“
„Wie ist mein Vater denn so? Ich habe ihn nie richtig gekannt.“
„Nun, Pete, er ist schlau, stark und unglaublich schnell. Dein Vater ist einer der besten Krieger, die jemals für uns gekämpft haben. Er ist ein wahrer Held. Deshalb wirst du von allen hier beobachtet. Dein Vater, Pete, dein Vater ist eine Legende aller Gondraner!“, sagte Bordan.
„Was hat er denn getan, um zur Legende zu werden?“, fragte Pete verblüfft.
„Er hat mehr Turioner getötet als hundert Gondraner zusammen. Er ist ein wahrer Krieger, Pete!“
Pete war stolz, aber auch entsetzt, dies zu hören. Seine Augen wurden feucht beim Gedanken an seinen Vater.
Mein Vater, der Held, die Legende aller Gondraner.
„Ich wünschte, ich könnte ihn endlich sehen, Bordan. Wann kommen meine Eltern denn endlich hierher?“
„Wie gesagt, dein Vater wird im Moment gebraucht. Das heißt, er ist an der Grenze zu Turion, unseren Erzfeinden. Dort unterstützt er unsere Krieger, um Goron und unseren ganzen Nordwald sicher zu halten.“
„Aber kann ich ihn denn nicht besuchen?“
„Für dich ist es noch viel zu gefährlich, Pete. Du musst erst das Training von Thobor erfolgreich hinter dich bringen. Dann können wir darüber sprechen.“
Pete war so in Gedanken an seinen Vater versunken, dass er nicht bemerkte, dass Bordan seine Reaktionen genau studierte, während er weiterschmatzte.
Nach ein paar Sekunden schaute Pete wieder zu Bordan und fuhr fort: „Und warum ist Thobor mir gegenüber so ablehnend?“
„Was erwartest du, Pete? Du hast ihn noch vor dem ersten Training beleidigt. Außerdem soll er dich abhärten und zum Krieger machen. So geht das nun mal.“
Dann erhob Bordan seinen Blick zu Pete und fügte mit drohender Stimme hinzu: „Oder ist das ein Problem für dich, Pete?“
„Oh nein, wenn es darum geht, ist das kein Problem. Ich will ja so schnell wie möglich besser werden, vor allem, damit ich meinen Vater sehen kann.“
Bordan nickte zufrieden. „Genau so soll es sein, Pete. Du wirst sehen, deinen Vater kriegst du noch früh genug zu sehen. Iss weiter. Heute Abend wird gefeiert.“
„Was denn genau?“
„Das jährliche Nordwald-Fest. Alle Gondraner feiern, dass wir ein weiteres Jahr im Kampf überlebt haben.“
„Die einfachen Dinge sind manchmal doch die besten“, fügte Pete grinsend hinzu. Bordan starrte ihn mit ausdrucksloser Miene an. Sekundenlang lag ein bedrückendes Schweigen im Raum. Dann schlug Bordan mit einer Faust auf den Tisch und brüllte vor Lachen.
„Da hast du wohl recht, Pete!“, keuchte er nach Atem ringend. Pete sah erleichtert zu Bordan und aß weiter.
Weitere Scherze lass ich für heute sein. Das ging ja gerade noch einmal gut.
Als Pete und Bordan die letzten Fleischstücke aufgegessen hatten, drangen von den Straßen immer lauter Stimmen und Jubel in Bordans Hütte.
„Das Fest geht los“, sagte Bordan und kaute eilig auf seinem letzten Bissen.
Nachdem auch Pete den letzten Bissen geschluckt hatte, öffnete er die Tür einen Spalt, um zu sehen, was auf den Straßen vor sich ging. Frauen und Männer tanzten, an den Ellbogen eingehängt, ausgelassen im Kreis und schrien, lachten und johlten. Viele Bewohner hielten Holzbecher in den Händen.
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