Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
waren stark, sie waren groß, sie waren mächtig. Und Yan Tu war ihr Anführer. Der beste, den es geben konnte. Sie riefen jetzt seinen Namen. Erst vereinzelt, dann stimmte die ganze Menge ein: „Yan Tu, Yan Tu…!“ Auch Snip konnte sich dem Einfluss der Stimme kaum entziehen. Nogg hatte bereits in die Jubelschreie mit eingestimmt. Snip überlegte unterdessen, was das Geheimnis des Anführers sein mochte. Spielte da vielleicht Magie eine Rolle? Vorsichtig zog er sein Monokel aus der Tasche und schaute kurz hindurch. Einige magische Gegenstände trug der Hobgoblin bei sich: die Dolche, sein Totenkopf-Ohrring. Doch ob einer davon für dieses Phänomen Verantwortung trug? Snip war sich da nicht sicher. Vielleicht saß diese Art von Magie viel tiefer, wurzelte im Wesen des Hobgoblins selbst. Eins stand aber fest: Diesen Yan Tu durften sie auf gar keinen Fall unterschätzen. Er konnte zu einem wirklich gefährlichen Gegner werden. Während der nächsten Tage studierten sie die Abläufe im Lager sehr genau. Insbesondere dem Turm schenkten sie viel Aufmerksamkeit. Schnell zeigte sich, dass es durchaus geregelte Abläufe gab. Insbesondere die Wachwechsel beim Turm erfolgten nach einem exakten Plan. Der Turm selbst wurde rund um die Uhr von mindestens einem halben Dutzend Orks bewacht wurde. Dazu kamen die Wächter vor den drei Gebäuden rund um den Turm. Zugang zum Turm hatten nur sehr wenige Krieger. Vermutlich die hochrangigen Truppführer. Alle anderen, die sonst dem Turm zu nahe kamen, wurden von den Wächtern unsanft fortgejagt . Jeden Abend kam Yan Tu aus seinem Turm, hielt eine Ansprache und mischte sich unter seine Leute, um mit ihnen zu feiern. Doch auch während dieser Zeit blieb der Turm bewacht. Offensichtlich brauchte es eine kleine Armee, um in den Turm hineinzugelangen. Und die hatte Snip gerade nicht zur Verfügung. Immer wieder diskutierte er mit Nogg in der Hoffnung, dass sie irgendetwas übersehen hatten. Aber so sehr sie sich auch mühten – sie fanden einfach keinen gangbaren Weg. Da kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Yan Tu stand gerade wieder vor den Kriegern seiner Bande und hielt eine seiner inspirierenden Ansprachen. Alle schauten wie gebannt auf den Hobgoblin, hingen förmlich an seinen Lippen. Unvermittelt ertönte ein Schrei. Ein weiterer folgte. Die Meute schreckte aus ihrer Trance hoch und schaute sich irritiert um. Aber sie konnten nirgends etwas entdecken. Wieder ertönten Rufe. Die Wächter oben auf dem Grat des Talkessels gestikulierten wild mit den Armen. Alle schauten nach oben. Und da plötzlich zeichnete sich ein dunkler Umriss gegen den dunkelblauen Abendhimmel ab. Er bewegte sich schnell und kam immer näher. Offenbar steuerte er direkt auf das Lager zu. Die Wächter schossen einige Pfeile auf das Wesen ab – aber ohne Erfolg. Jetzt befand es sich bereits im Landeanflug auf das Lager. Seine Schwingen hatten eine gewaltige Spannbreite. Und auch das Wesen selbst besaß riesige Ausmaße. Was konnte das nur sein? Die Grünhäute stoben auseinander. Nur wenige Sekunden später landete das Monstrum mit einem lauten Krachen auf dem Felsboden. Ein unglücklicher Goblin, der nicht mehr schnell genug wegkam, wurde wie eine Mücke zerquetscht. Der Boden bebte beim Aufprall. Einige Grünhäute gingen zu Boden. Langsam richtete sich das Wesen auf. Es sah aus wie ein riesiger schwarzer Löwe mit fledermausartigen Schwingen. Die Struktur seiner Haut wirkte wie Marmor. Trotzdem war es beweglich und vor allem schnell. Snip schluckte. Dieses Wesen erinnerte ihn auffallend an die Statuen, die so zahlreich in Quandala herumstanden. Das Gefühl, das er beim Eingang der Bibliothek angesichts der steinernen Wächter verspürt hatte, kehrte zu ihm zurück, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Das Monster blickte sich mit seinen unnatürlich leuchtenden Augen um, legte den majestätischen Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Brüllen aus. Zu viel für einige der Grünhäute. Panisch rannten sie davon. Die Leibwachen von Yan Tu hingegen traten vor und stellten sich zwischen ihn und das Monstrum, die Hellebarden zum Schlag bereit. Da griff das Monster auch schon an. Mit einem geschmeidigen Satz hatte es den ersten Wächter erreicht und hieb ihm mit der Pranke den Kopf vom Leib, bevor dieser auch nur die Chance hatte zuzuschlagen. Von allen Seiten drangen nun die Orks auf das Wesen ein. Yan Tu hatte instinktiv seine Dolche gezückt. Hilfesuchend schaute er zu den Wächtern beim Turm und gab
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