Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
dieses Mal sauste kein Pfeil aus der Wand. Stattdessen kam eine Reihe spitzer Pfähle direkt aus dem Boden unter ihm emporgeschossen. Um Haaresbreite hätte ihn einer davon mittig aufgespießt. Ob er es nun seinem Instinkt verdankte oder ob er einfach nur extremes Glück hatte – Snip wusste es selbst nicht. Aber irgendwas hatte ihn bewegt, sich gerade in diesem Moment zur Seite zu werfen. Einer der Pfähle strich eben an seiner Schulter vorbei und riss eine leichte Wunde. Ein anderer reckte sich unmittelbar hinter seinem Rücken in die Höhe. Gut, dass er so schlank war. Den Ork hätte es voll erwischt. Gar nicht mehr selbstsicher robbte sich der Goblin die letzten Meter zum Ziel. Nogg folgte ihm kurz danach. Das war echt der Wahnsinn. Vor allem, wenn sie bedachten, dass sie den ganzen Weg auch noch zurück mussten. Doch sie hatten keine andere Wahl und mussten ihren Weg wohl oder übel fortsetzen. Der Gang, in dem sie nun standen, führte sie bereits nach knapp zwanzig Metern in einen weiteren kreisrunden Raum. Darin befand sich keinerlei Inventar bis auf einen steinernen Sockel, der sich exakt in der Mitte des Raumes rund einen Meter erhob. Um den Sockel herum lagen weitere menschliche oder humanoide Überreste. Auch Waffen und andere Gegenstände konnten die beiden erkennen, alles mit einer dichten Staubschicht überzogen.
Langsam ging Snip um den Sockel herum. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, immer in Sorge, dass er gleich wieder eine Falle auslösen könnte. Nach einigen Minuten fiel sein Blick auf ein Kästchen, das da zwischen den Knochen lag. Gemächlich bückte er sich, hob er es auf und betrachtete es ausführlich. Es schien sehr alt zu sein. Eine ausgezeichnete handwerkliche wie künstlerische Arbeit. Ein Blick hinein zeigte, dass es leer war. Offenbar hatte einmal ein Schmuckstück oder etwas Ähnliches darin gelegen. Auf der Innenseite des Deckels prangte eine Zeichnung, bei deren Anblick Snip schlucken musste; denn sie zeigte exakte die Rune, die sie bereits mit sich führten. Der ganze Aufwand war für die Katz gewesen. Am liebsten hätte der Goblin das Kästchen an die Wand geschmissen. Doch er konnte sich gerade noch beherrschen. Dafür brüllte er seinen ganzen Frust heraus. Seine Worte hallten von den Wänden und der Decke des Raumes zurück und sorgten für ein überlautes Echo. Staub wirbelte auf, der ganze Raum vibrierte ein wenig. Unsicher schauten sich die beiden um. In diesem Moment fiel aus der gegenüberliegenden Wand ein großer Felsbrocken heraus und knallte auf den Boden. ‚Jetzt ist es aus!’, dachte Snip, ‚Die Höhle stürzt ein. Warum kann ich alter Idiot mich nicht mal beherrschen?’ Doch weiter geschah nichts. Als sich der Staub wieder gelegt hatte, entdeckten die beiden Grünhäute ein Loch in der Wand in etwa zwei Metern Höhe. Der Stein schien dieses Loch verschlossen zu haben. Snip bedeutete Nogg, ihn auf die Schultern zu heben. Dann inspizierte er das Loch. „Hier ist ein Tunnel“, berichtete er. Wohin er führte, vermochte der Goblin natürlich nicht zu sagen, aber er hatte das Gefühl, als ob ein leichter Luftzug ihm ins Gesicht wehte. Vorsichtig schob er sich in den Schacht hinein und kroch ein Stück weiter. Danach kehrte er zurück „Soll ich auf dich warten?“, fragte Nogg, obwohl ihm klar war, dass er nur schwer durch den engen Tunnel passen würde. „Ich bin bald wieder da“, versprach Snip, drehte sich um und folgte dem Schacht. Schier endlos wand er sich durch den Fels. Schon längst hatte der Goblin jegliche Orientierung verloren. Aber es gab ohnehin nur eine Richtung. Plötzlich sah er einen winzigen Lichtpunkt in einiger Entfernung. Hastig kroch er weiter. Die frische Luft nahm zu, es wurde heller – und schließlich erreichte er den Ausgang. Nicht mehr als ein kleines Loch im Felsen, das zudem von Wurzeln und Blättern verdeckt wurde. Mit zusammengekniffenen Augen schaute er heraus und stellte fest, dass er sich in rund zwanzig Metern Höhe befand. Die Aussicht von hier oben war phänomenal. Die gesamte Ödnis lag ihm zu Füßen. Unter ihm fiel die Felswand steil ab. Es würde nicht leicht werden, da hinunter zu kommen. Doch es war möglich. Also machte er kehrt und kroch zu Nogg zurück. Gut zwei Stunden später machten sich die beiden an den Abstieg. Meter für Meter hangelten sie sich hinunter, nur um festzustellen, dass ihr Seil nicht ganz bis auf den Boden reichte. Halb rutschend, halb kletternd legten sie die letzten paar Meter
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