Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
augenblicklich scharf. Ein Faden Blut rann über die Hand des Magiers, und der Dolch näherte sich nun Kirans Arm, einer Stelle dicht oberhalb der Fesseln.
Blutmagie! Verzweifelt versuchte Kiran, sich herauszuwinden. Er kam der Freiheit nicht mal einen Fingerbreit näher. Die Klinge ritzte ihm eine brennende Linie in die Haut. Der Magier legte seine blutige Hand auf den Schnitt, und Kiran schrie jämmerlich auf, als die Magie wie ein Stachel in ihn hineinfuhr. Sie raste unter seiner Haut entlang und brachte dabei zum Erstarren, was sie berührte. Ein lautloser Blitz malte sein Blickfeld weiß.
Langsam kehrte die Welt zurück. Kiran hob vorsichtig den Kopf. Seine inneren Sinne blieben taub, aber die Halos waren verschwunden, und er war wieder klar im Kopf.
»Jetzt ist es besser, nicht wahr?« Die Stimme hallte auch nicht mehr. »Versuchen wir es noch einmal. Wie heißt du?«
Kiran blieb stumm. Namen hatten Macht. Nicht so viel wie Blut, aber genug, um gefährlich zu sein.
Der Magier machte eine leichte Geste. Kirans Muskeln verkrampften sich. Er fühlte sich wie in einem Schraubstock und hörte sich krächzen: »Kiran.«
»Kiran ai Ruslanov, meinst du wohl.« Der Magier schnippte mit den Fingern. Der Druck auf Kiran ließ nach. Kiran erschlaffte. Ihm war übel, seit er es begriffen hatte: Der Magier hatte ihn mit Blut an sich gebunden. Es war nur eine simple Schlingenbindung, die zu schwach war, als dass die alathischen Spürzauber sie bemerkten. Aber Kiran war dagegen wehrlos, da er auf seine Magie nicht zugreifen konnte.
»Ich gehöre Ruslan nicht. Nicht mehr«, sagte er trotzig. Der Magier neigte sich heran und strich mit dem Finger über Ruslans Zeichen.
»Wohl wahr. Denn jetzt gehörst du mir. Ich bezweifle allerdings, dass dir das lieber ist. Ruslan war immer solch ein Idealist, was seine Lehrlinge angeht.« Der Magier lachte geringschätzig.
»Du … du kennst Ruslan?«
»Oh ja!« Der Magier entblößte lächelnd seine Zähne. »Dank deines vormaligen Meisters habe ich die vergangenen zwanzig Jahre im Exil verbracht, in diesem rückständigen Land, anstatt mich in Ninavel meiner verdienten Stellung zu erfreuen. Ich beabsichtige, das zu korrigieren, nun da ich dich habe.«
Das Gesicht des Magiers nahm eine Milde an, bei der sich Kirans Nackenhaare sträubten. »Du ahnst nicht, wie entzückt ich bin, dass du ausgerechnet nach Alathien geflohen bist.« Er strich Kiran über die Wange, dann fasste er ihm unters Kinn.»Mein Entzücken wird noch größer sein als erwartet. Ruslan hat einen guten Geschmack, das muss ich ihm lassen.«
Kiran wollte den Kopf wegdrehen, doch der Magier hielt ihn am Kinn fest. »Ich werde auch dir nicht gehören«, zischte Kiran.
»Ich fürchte, du hast gar keine Wahl. Das unterscheidet mich von Ruslan.« Er berührte Kiran an der Stirn, und die Welt wurde schwarz.
DEV
Durch einen Spalt zwischen den Deckendielen sah ich, wie Kiran erschlaffte und der Magier von ihm zurücktrat. Es drehte mir glatt den Magen um.
Scheiße. Jetzt wusste ich Bescheid, gut, aber was ich erfahren hatte, gefiel mir nicht. Wie der Magier dabei gelächelt hatte – ekelhaft. Er hatte seine blutende Hand auf die Schnittwunde gelegt, was immer das bedeutete, und Kiran hatte gewimmert und gezappelt, als würde ihm ein Brandeisen aufgedrückt. Er war so hart mit dem Kopf an die Stuhllehne geschlagen, dass mir bei dem Knacken schlecht geworden war. Und die ganze Zeit über hatte der Magier ein mildes, beschauliches Lächeln gehabt wie ein Mann, der einen guten Wein genießt.
Unter mir quietschte die Tür. Ich hielt das Auge an den Spalt und wäre fast umgekippt, als ich ein vertrautes, kupferbraunes Gesicht unter einem Wust dunkler Locken sah. Pello! Was tat der denn hier?
»Du hast mich gerufen?« Er wirkte dünner, als ich ihn in Erinnerung hatte, und noch viel erschöpfter. Kein Wunder. Er musste seinen Gaul zuschanden geritten haben, um so schnell in Kost zu sein. Doch eigentlich hätte er noch nicht hier sein dürfen, es sei denn dieser Schweinehund hatte ihm unter die Arme gegriffen.
»Ist das der Junge, den du von Ninavel aus beschattet hast?« Solange der Magier mit Kiran beschäftigt gewesen war, hatte er einen angeregten Eindruck gemacht. Jetzt wirkte er kalt und trocken wie eine Wüste im Winter.
Pello nickte. Ich zog eine Grimasse. Für dieses Arschloch hatte er von Anfang an gearbeitet?
»Gab es Anzeichen, dass ihn ein Magier verfolgt?«
Ein Schatten wie Pello hat ein Auge für
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