Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
bewegen konnte. Simon hatte die Schlingenbindung gelockert. Kiran unterdrückte den Drang, bis an die Wand zurückzuweichen, da das ohnehin nichts nützte.
»Was … was sollte das?« Durch das Ighantya-Zeichen, das auf Kirans Stirn noch kribbelte, hatte Simon die Erinnerung ausgelöst und durch die Schlingenbindung mit ihm zusammen durchlebt. Wieder ein zu schwacher Zauber, als dass er den alathischen Rat alarmieren könnte. Doch was hoffte Simon aus solchen Kindheitserlebnissen zu erfahren?
Simon trommelte mit den Fingern auf der Armlehne seines Stuhls und machte ein unzufriedenes Gesicht. »Vielleicht sollte ich die Arkana ein wenig korrigieren«, murmelte er.
Aha! Es war also schwierig, einen so schwachen Zauber zielgenau zu lenken. Simon hatte nicht diese Erinnerung sehen wollen, sondern eine andere. Aber welche? Vielleicht stellte Simon sich vor, Kiran kenne die komplex geschichteten Abwehrzauber, die Ruslans Geist und Ikilhia schützten. In Kiran stieg ein bitteres Lachen auf. Wenn Simon glaubte, Ruslan hätte die seinen Lehrlingen anvertraut, so kannte er ihn schlecht.
Simon sah ihn an. »Wenn es dich belustigt, dass dein Meister nach deinem Ungehorsam so milde mit dir verfahren ist, so teile ich dein Empfinden.« Er schüttelte den Kopf. »Was für ein Narr Ruslan doch ist. Warum er nicht gleich deinen Willen brach, als er dich zum Lehrling nahm, werde ich nie verstehen. Vermutlich wegen seiner lächerlichen Obsession, sich eine Familie zu schaffen.« Er lachte verächtlich. »Nicht, dass ich mich beklagen will. Seine Schwäche wird sein Tod sein.«
Kiran riss die Augen auf. Simons Hass auf Ruslan war von Anfang an offensichtlich gewesen. Aber dass er Ruslan töten wollte … In seinen dunkelsten Träumen hätte Kiran sich nicht vorgestellt, dass das möglich wäre. Ruslan war viel zu gerissen und stark, seine Abwehr so vielschichtig, dass auch ein gelenkter Zauber sie nicht durchdringen könnte.
Aber Simons scharfer Spott, als er von Ruslans Familie sprach … Kirans Mund wurde trocken. Akheli verfügten über ausgefeilte Foltermethoden. Glaubte Simon, gegenüber Ruslan einen Vorteil zu erlangen, indem er drohte, Kiran zu foltern, oder es sogar schon tat?
Nach den Qualen, die ich erlitten habe, hast du Folter verdient, flüsterte Alisa in ihm. Kiran rang darum, Zuversicht auszustrahlen. »Du musst wissen, dass Ruslan nie den Forderungen eines Feindes nachgibt, ganz gleich was du mir antust.«
»Das ist wahr. Nicht einmal Ruslan wäre so töricht.« Finstere Belustigung leuchtete Simon aus den Augen. Er stand auf. »Aber du fürchtest meine Zauber klugerweise. Verglichen mit den Schmerzen, die du erfährst, falls du versuchst, meine Wachzauber zu durchbrechen, werden dir Ruslans Strafen wie Liebesbeweise erscheinen.« Er klopfte auf die schwarzen, in den Türrahmen geritzten Zeichen. Sie leuchteten grün auf, als er die Tür hinter sich schloss.
Kiran konzentrierte sich. Obwohl seine Magie durch Simons Amulett blockiert war, konnte er das tiefe, drohende Gemurmel der Kräfte in Wänden, Fußboden und Decke hören. Sie waren nicht stark genug, um zu töten, aber um ihm das Bewusstsein zu rauben.
Er betrachtete das Silberfiligran an seinem Unterarm. Bei so durchdringenden Schmerzen, wie sie Simons Zauber bescherten, würde er bestimmt kein Wirkmuster lesen können, aber wenn er das Filigran hinreichend beschädigte, ließe sich die Blockade seiner Kräfte vielleicht aufbrechen.
Er rutschte zum nächsten Bettpfosten, der eine Handbreit Durchmesser hatte, stützte sich mit einem Arm ab und schlug den Unterarm mit dem Amulett gegen das Holz.
Es blitzte blau auf, und vor Schmerzen wurde ihm schwindelig. Keuchend krümmte er sich zusammen. Als der Schmerz endlich verebbte, schaute er nach. Wie befürchtet war das Filigran unbeschädigt. Der Blitz bedeutete, dass ein Schutz gegen Beschädigung eingearbeitet war.
Angesichts der Holzmöbel im Zimmer keimte ein neuer hoffnungsvoller Gedanke, und Kiran griff nach der Öllampe an der Decke. Aber auch das hatte Simon vorausgesehen. Die Lampe war mit starken Abwehrzaubern versehen. Kiran schnaubte frustriert und starrte auf den Boden, auf dem ein dicker, weicher Teppich mit zarten Farben und Mustern lag. Trotz des Exils war Simon wohlhabend.
Und er war überzeugt, dass es in Kürze endete, da er Kiran in seiner Gewalt hatte. Offenbar glaubte er, Kirans Erinnerungen enthielten die entscheidende Waffe gegen Ruslan, so unwahrscheinlich das war.
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