Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
das Gegenteil annehmen?«
Kiran begriff. Pello kannte Simons Pläne auch nicht. Also war anzunehmen, dass hinter seiner spöttischen Dreistigkeit Zweifel schlummerten. »Dev behauptete, du seist klug, aber das war wohl auch eine seiner Lügen. Dass du ausgerechnet Simon dienst! Ein kluger Mann hätte sich ausgerechnet, dass er das nicht überleben kann. Die Akheli haben für unbegabte Diener keine Freundlichkeit übrig. Selbst wenn Simon wundersamerweise über Ruslan siegt, wirst du nicht länger als ein Jahr zu leben haben. Eines Tages wirst du ihn verärgern oder er braucht eine Magiequelle und nimmt, wen er zur Hand hat. Wenn Simon versagt, wirst du natürlich viel eher sterben.«
Pello machte eine wegwerfende Geste. »Ich glaube kaum, dassein bedeutender Magier wie Ruslan Khaveirin sich die Mühe machen würde, einen wie mich, der so weit unter ihm steht, kaltzumachen.«
Kirans Herz machte einen freudigen Satz. Pello wusste offenbar nicht, dass … Oh, vorsichtig, ganz vorsichtig! »Du verstehst nicht«, sagte Kiran. »Simon hat dich gebunden. Vermutlich hat er dir nur magische Fesseln angelegt, aber ein Fernlenkungszauber wäre auch denkbar, da du ein Unbegabter bist und damit jedem Zauber ausgeliefert. Sollte Simon von Ruslans Hand fallen, würdest du durch die Verbindung zwischen euch mit in den Tod gerissen. Dein Leben würde verlöschen wie eine Kerze im Sandsturm.«
Das Spotten war Pello sichtlich vergangen. »Ich bin mit Simons Blut nicht in Berührung gekommen und er nicht mit meinem.«
»Die Akheli brauchen kein Blutritual, um einen Unbegabten zu binden. Hat er dich berührt?« Die Antwort war augenblicklich von Pellos Körperhaltung abzulesen. »Dann kann er dich mit einem bloßen Gedanken töten, und die alathischen Spürzauber würden nichts davon bemerken.« Aber nur, wenn die beiden Männer nah beieinander stünden, was Pello hoffentlich nicht wusste.
»Ein Grund mehr, mich für seinen Sieg ins Zeug zu legen«, entgegnete Pello glatt.
Kiran neigte sich vor. »Eine magische Fessel kann gebrochen oder hintertrieben werden, wenn man weiß, wie es geht. Ich weiß es und würde es dir verraten, wenn du mir hilfst, an Simons Abwehrzeichen vorbeizukommen.«
Pello lachte. »Ah! Ein rühmlicher Versuch, der aber nicht verfängt. Soll ich etwa alles aufgeben, was ich an Simons Seite erreichen kann, obwohl gar nicht bewiesen ist, dass er mich an sich gebunden hat? Ich bin nicht so leichtgläubig wie du, der sich vertrauensvoll zur Schlachtbank führen lässt.«
Kiran knirschte mit den Zähnen. »Was du erreichst, ist dein Tod.«
»Das behauptest du.« Pello ging zur Tür.
»Du wirst noch sehen, dass ich recht habe«, sagte Kiran hastig. »Simon wird die Bindung gegen dich benutzen, sowie du nicht gehorchst oder ihn auf andere Weise verärgerst. Dann denk an meine Worte.«
Pello warf ihm noch einen misstrauischen Blick zu und schlüpfte hinaus. Kiran schlug mit der Faust aufs Bett. Hätte er doch nur überzeugender sein können! Simon würde die Bindung benutzen, so sicher, wie morgens die Sonne aufging. Aber vielleicht nicht früh genug, dass es Kiran nützte.
×
Die Zeit schlich dahin. Eine stille Stunde folgte auf die andere. Kirans Frustration wuchs. Er schritt durchs Zimmer und zog mit dem Finger die Abwehrzeichen nach, um zu sehen, ob es an den unsichtbaren Stäben seines Käfigs irgendwo einen winzigen Fehler gab. Er fand keinen. Simons Zauber waren makellos, und Kiran konnte sie weder beschädigen noch entfernen. Unzählige Male trotzte er tapfer den zerrüttenden Schmerzen und versuchte, das Wirkmuster zu ergründen. Aber er wurde jedes Mal bewusstlos, bevor er das Geringste erkennen konnte.
Er konnte nur schätzen, wie lange er schon Simons Gefangener war, nämlich anhand der Mahlzeiten und seines Schlafrhythmus. Verlässliche Werte waren das jedoch nicht, denn Simon schickte das Essen in unregelmäßigen Abständen, und aufgrund der Pflanzengifte und der Phasen von Bewusstlosigkeit war sein natürliches Schlafbedürfnis gestört. Er glaubte, es seien drei Tage gewesen, obwohl es ihm länger vorkam. Simon war lange nicht mehr hereingekommen, und Pello auch nicht. Das Essen brachte ihm eine mürrische alte Frau, die nicht einmal den Blick hob, geschweige denn redete, ganz gleich, was Kiran zu ihr sagte.
Obwohl er so viel nachdachte, kam er nicht darauf, wieso Simon glaubte, Ruslan vernichten zu können. Eine schwere Wunde genügte nicht, um einen Akheli zu töten. Außerdem war
Weitere Kostenlose Bücher