Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
bliebe Kiran keine Hoffnung mehr auf Widerstand.
»Wirklich? Mir scheint, sie liegt im Sterben.« Kiran hoffte, nach kleinlichem Triumph zu klingen, obwohl seine Stimme zitterte.
»Oh, sie wird mir noch nützlich sein, dafür sorge ich.« Simon beugte sich hinab, fasste der Greisin an die Schulter und murmelte mit geschlossenen Augen ein paar Worte.
Durch die Frau ging ein Ruck. Keuchend stemmte sie sich vom Boden hoch. Ihre Hände zitterten, und ihr Atem pfiff, aber ihre Miene war so undurchdringlich wie zuvor. Kiran fragte sich, ob sie unter Schock stand.
»Da, siehst du?« Simon lächelte ihn freundlich an. »Dein Widerstand, so bewundernswert er war, hat mich nichts gekostet. Und nun habe ich, was ich brauche. Sei versichert, dass du bald mir gehörst und so gefügig bist wie diese Nathahle.« Er drehte sich zu Iannis um und zeigte auf das Erbrochene. »Wisch das auf.«
Iannis nickte. Als Simon zur Tür ging, folgte ihm ihr schwarzer Blick, der hart war wie Obsidian.
Sowie sich die Tür geschlossen hatte, sprach Kiran sie hastig an. »Es tut mir leid, was Simon dir angetan hat. Ich habe nachgegeben, um dein Leben zu retten. Du weißt, was für ein Ungeheuer er ist. Wirst du mir dafür helfen, zu entkommen?«
Iannis’ starres Gesicht kam langsam in Bewegung. Ihre Lippen entblößten gelbe Zähne, die Augen funkelten hasserfüllt. Kiran hielt erschrocken die Luft an.
»Dir helfen?« Sie spuckte ihm ins Gesicht. »Dich hätte man gleich nach der Geburt erwürgen sollen. Ihr seid doch alle Ungeheuer, ihr Magier, einer wie der andere.«
Mit zitternder Hand wischte Kiran sich den Speichel von der Wange. »Aber ich habe dir das Leben gerettet! Und wenn du mir hilfst, kann ich dich befreien …«
Ihr Mund kräuselte sich spöttisch. »Aus den Klauen eines Blutmagiers befreit einen nur der Tod. Wenn es wahr ist, was du sagst, hast du meine Befreiung heute verhindert. Hoffentlich reißt er dich in Fetzen.« Damit kehrte sie ihm den Rücken zu und stampfte aus dem Zimmer. Als sie mit Eimer und Lappen zurückkam, war ihr Gesicht so ausdruckslos wie immer, und beim Aufwischen zollte sie ihm keinerlei Beachtung. Kiran hätte ebenso gut die Wand anflehen können.
Als sich die Tür hinter ihr schloss, sank er aufs Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Szenen des Rituals schossen ihm durch den Kopf. Er hörte Alisas heisere Schreie und Ruslans wilden Triumph, schmeckte das Blut und sah bei all dem Iannis’ hasserfüllten Blick auf sich ruhen.
Ich hätte sie sterben lassen sollen.
Nein – es war doch sicher richtig gewesen, nachzugeben. Alisa wäre stolz auf seine Entscheidung. Er versuchte, sich ihr strahlendes Lächeln, ihren liebevollen Blick vorzustellen, sah aber nur ihr blutiges, schmerzverzerrtes Gesicht und Ruslans schneidende Hand.
Er nahm Zuflucht zu dem einfachsten Mittel, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen, und tat langsame tiefe Atemzüge. Alisas Schicksal konnte er nicht mehr ändern. Vielleicht aber sein eigenes. Er brauchte nur hinter Simons Plan zu kommen.
ACHTZEHN
DEV
Zum zweiten Mal lag ich gespannt und ungeduldig auf dem Stalldach der Silberader. Diesmal war ich nicht meinetwegen nervös, sondern bangte um Cara. Denn der Kerl, mit dem sie da herumlachte, war nicht irgendein geiler Händler, sondern Pello.
Wir hatten den Honig kaum ausgelegt, da kam er auch schon angeschwirrt. Nur einen Abend lang musste Cara im Schankraum mit Händlern plaudern und das Gerücht streuen, dass in Wirklichkeit ich und nicht Pello schuld am Unglück des Konvois sei. Wenn die neugierigen Zuhörer fragten, welchen Beweis sie dafür habe, schüttelte sie den Kopf und flüsterte, es sei ungesund, etwas weiterzuerzählen, was man Magiern abgelauscht habe.
Der Verlockung geheimer Informationen konnte kein Schatten widerstehen. Schon am nächsten Tag ließ Pello Cara eine Nachricht zukommen und bat um ein Treffen. Sie traf sich mit ihm in einer Spelunke am Fluss und spielte ihre Rolle, wie ich vorgeschlagen hatte. Sie gab sich willig und ein bisschen misstrauisch, ließ sich von ihm einladen und hörte sich seine aalglatten Lügen an, mit denen er sich als unschuldig hinstellte. Dabei wurde sie immer freundlicher, weigerte sich aber weiterhin, über Ruslans Besuch beim Konvoi zu sprechen. Pello ließ seinen Charme spielen und bat um ein zweites Stelldichein.
Heute Abend waren sie im Schankraum der Silberader verabredet gewesen, um ein paar Gläser zusammen zu trinken, und jetzt stand er bei ihr im
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