Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
ihr Zimmer zu schwingen, falls Pello noch mal zurückkäme. Wir waren übereingekommen, eine Stunde abzuwarten, ob der Scheißkerl wirklich abgezogen war. Nach dem Kuss war das doppelt wichtig. Er durfte auf keinen Fall sehen, wie ich Cara einen Besuch abstattete.
Endlich kam Cara ans Fenster und öffnete es. Ich schlich übers Dach und spähte von allen möglichen Stellen aus in die Umgebung, bevor ich mich über die Dachkante ins Zimmer schwang.
Vollkommen zufrieden strahlte Cara mich an. »Nicht schlecht für ein erstes Mal, was?«
Ich verriegelte das Fenster und zog die Vorhänge zu. »Was hast du dir dabei gedacht, ihn zu küssen? Mensch, Cara, er ist ein Schatten! Der merkt genau, wenn du dabei Hintergedanken hast.«
»Wer sagt, dass ich die hatte? Schatten oder nicht, er sieht ganz gut aus. Dieser Schlafzimmerblick und der feste Hintern …« Sie lachte laut, als sie mich sprachlos sah. »Jetzt hättest du dein Gesicht sehen sollen. Entspann dich, ja? Ich dachte, ein Kuss kann nicht schaden.« Triumphierend hielt sie mir die Hand hin. Um ihre Finger waren ein paar dunkle Haare gewickelt. »Für den Notfall, falls er den Mantel irgendwo liegen lässt.«
Das war schlau, aber beinahe zu schlau. Brummend nahm ich ihr die Haare ab. »Wenn er das gemerkt hat, wird er dich beschatten. Und du sollst dich mit mir in dem blöden Abflussrohr bei Simons Haus abwechseln, erinnerst du dich? Wenn er dir dahin folgt, sind wir geliefert.«
Cara riss erschrocken die Augen auf, schüttelte aber den Kopf. »Ich bin sicher, er hat’s nicht gemerkt.«
»Er hat aber kaum protestiert, als du ihn zur Tür rausgeschoben hast.«
»Ich hab gesagt, das sei ein kurzer Anfall von Leichtsinn gewesen und dass ich mich doch lieber an meinen Grundsatz halte, so gern ich mit ihm geknutscht hätte.«
Ich nickte widerwillig. Caras Grundsatz – keine Techtelmechtel mit Konvoiarbeitern – war unter den Kollegen bekannt. Wenn Pello fragte, würden sie ihm das bestätigen. »Hast du ein Stück Stoff, das ich benutzen kann?«
Cara kramte in ihrem Rucksack und gab mir ein fadenscheiniges Leinentuch mit lauter gelben Salbenflecken. Ich wickelte die Haare darin ein und steckte es in eine Innentasche. »Du denkst vielleicht, er hat’s nicht gemerkt, aber das wird sich erst noch …«
Es klopfte an der Tür. Wir starrten einander an. »Halte ihn hin«, sagte ich lautlos mit den Lippen und huschte zum Fenster. Der Riegel quietschte wie eine Springmaus und klemmte auch noch fest. Mit Gewalt würde das nicht gehen. Ein Auge auf die Tür gerichtet, quetschte ich eine Fingerspitze zwischen die Metallkanten und zog.
»Wer ist da?«, fragte Cara.
Da antwortete genau die Stimme, die ich befürchtet hatte. »Pello. Entschuldige die späte Störung. Ich wollte eigentlich unten eine Nachricht hinterlassen, aber dann habe ich bei dir Licht gesehen und …« Die Türklinke klapperte. Ein geisterhafter Schimmer lief über das Schloss, so schnell und schwach, dass man es fast nicht bemerkte. Verflucht noch eins, er hatte ein Amulett zum Schlossknacken. Aber Caras Wachamulett sollte …
Es sprühte ein paar Funken und verlosch. Shaikar hole die Alather für ihren nichtsnutzigen Schund! Jetzt war mir egal, ob ich Lärm machte, ich versetzte dem Riegel einen kräftigen Schlag.
Die Tür ging knarrend einen Spalt weit auf. Pello steckte den Kopf herein und redete scheinbar harmlos weiter. »… habe mich gefragt, ob …« Er stockte und riss die Augen auf.
Scheiße! Ich könnte vielleicht noch entkommen, aber Cara nicht. Ich schwang das Bein wieder ins Zimmer und drehte mich zu Pello um. Hinter meinem Rücken schob ich die Hand zum Gürtel. Mein Knochenspalter würde auf jeden Fall die alathischen Spürzauber auslösen. Dann kämen die Ratsmagier angerannt. Wenn das die letzte Möglichkeit war, Cara zu schützen und Simon aufzuhalten, würde ich ihn benutzen, egal was das für Kiran und mich bedeutete.
Cara rannte zur Tür und riss sie weit auf. »Khalmet sei Dank, dass du kommst«, begrüßte sie Pello. »Komm rein und hilf mir, dieses Arschloch loszuwerden.« Sie warf mir einen bösen Blick zu. »Ich müsste verrückt sein, dich wieder einzustellen, du hinterhältige, verlogene Mistratte! Nach allem, was du dem Konvoi eingebrockt hast, werde ich dich in die finsterste Hölle befördern.«
Verdammt, das war nicht schlecht. Ich verschränkte die Arme und wurde gleichfalls böse. »Wenn du bloß mal zuhören würdest! Kellan war ein
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