Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Cara.
Ich klatschte Cara meinen Beutel in die Hand und betete, sie möge nicht meinen Rucksack durchsuchen. »Da. Bist du nun zufrieden?«
»Nicht im Geringsten.« Sie öffnete den Beutel und sah prüfend hinein. Nach einem weiteren eisigen Blick wandte sie sich Kiran zu. »Du willst Vorreiter werden, Junge? Dann merke es dir gut: Von uns hängt es ab, ob die Leute eines Konvois lebend ans Ziel kommen. Wenn du deine Verantwortung nicht über deine persönlichen Wünsche stellen kannst, tu uns allen den Gefallen und bleib zu Hause. Verstanden?«
Kiran kniff die Lippen zusammen, schlug den Blick nieder und nickte knapp. Bei Khalmets Hand, man hätte meinen können, er sei es, der den Brudermörder hochgeklettert war. Besser, er lernte noch, sich nichts anmerken zu lassen, bevor wir es mit den alathischen Grenzwächtern zu tun bekamen.
»Der Weg ist gleich freigeräumt. Ich möchte euch auf eurem Posten sehen, bevor wir weiterfahren.« Damit stolzierte Cara davon.
Ich stieß erleichtert die Luft aus. »Na, es hätte schlimmer kommen können.«
Kiran sah mich ungläubig an. »Wie denn? Du bist knapp mit dem Leben davon gekommen, unsere Tarnung drohte aufzufliegen und das hat sich nicht einmal gelohnt, weil wir keinen Stein haben!«
»Entspann dich.« Ich griff tief in meinen Rucksack und holte den Karkabonstein hervor. »Was glaubst du, warum ich mehr als einen abgeschlagen habe?«
Es war befriedigend, wie überrascht und erleichtert er plötzlich aussah. »Du wusstest, dass sie sie dir abnehmen wird?«
»Ich denke gern voraus.« Schade nur, dass die Unterhaltung mit Cara so ganz anders verlaufen war. Mein Kinn wummerte wie die Trommeln der Dämonensänger. Und ich hatte die bange Ahnung, dass Caras Vergebung noch lange auf sich warten ließe.
Ich warf Kiran ein Ende des Seiles zu. »Roll das auf. Ich packe das übrige zusammen.«
Er begann, sich das Seil über die Schulter zu wickeln. Ohne mich anzusehen, sagte er: »Als wir da oben saßen, hast du mir nicht gesagt, dass der Brudermörder noch unbestiegen war.«
Es klang vorwurfsvoll. Ich warf einen Satz Haken hin, dass es klirrte. »Willst du wieder von vorne anfangen? Ich bin hochgeklettert, wir haben einen Stein, Ende der Geschichte.«
»Nein, das meine ich nicht …« Er zögerte und drehte einen Abschnitt des Seils in seinen Händen. »Ich wundere mich nur, wo du so gut klettern gelernt hast.«
Hieß, er wollte mich wegen Sethan fragen, traute sich aber nicht. Verflucht noch eins, warum musste Cara in seinem Beisein die Vergangenheit hervorkramen?
Ich zuckte die Achseln. »Hab es eben schon als Kind gelernt.« Und nicht von Sethan. Nein, das hatte ich dem Roten Dal zu verdanken. Er brachte das jedem seiner Behafteten bei. Die können aus den Türmen der Nobelleute mehr Beute nach unten schweben lassen, wenn sie nicht auch noch sich selbst in der Luft halten müssen. Ich hatte besser klettern können als die meisten und war auch stärker behaftet gewesen. Ja, damals war der Rote Dal von mir hin und weg gewesen. Ich war damals so stolz, wenn ich mir sein triumphierendes Lächeln und seine väterliche Umarmung verdient hatte. Dabei war ich nur zu jungund dumm gewesen, um zu kapieren, dass er gar nicht mich liebte, sondern den Gewinn, den ich ihm einbrachte. Denn sowie sich meine Behaftung verlor, verkaufte er mich.
Darüber wollte ich genauso wenig reden. Zum Glück wusste ich, wie sich Kiran davon ablenken ließ.
»Und du? Was hast du als Kind gelernt?«
Kiran machte sofort dicht. »Nur was man aus Büchern lernen kann. So etwas wie Klettern jedenfalls nicht.« Er wandte sich wieder dem Aufrollen des Seils zu.
Ha, das wirkte besser als ein Schweigezauber. Erst als er mit dem Seil fertig war, sprach er mich wieder an.
»Wann werden wir den Stein einsetzen?«
Ich schnürte meinen Rucksack zu und stand auf. »Noch mal: Es gibt kein Wir. Du verhältst dich still. Ich kümmere mich um Pello.«
Kiran seufzte verärgert. »Na schön, wann wirst du Pellos Amulett suchen?«
»Sobald sicher ist, dass er eine ganze Weile von seinem Wagen wegbleibt.« Das einzufädeln würde höllisch schwer werden, denn einer wie Pello argwöhnte bei allem etwas. Bevor ich die Sache anginge, hoffte ich etwas Entscheidendes über sein Versteck zu erfahren, und wenn mich nicht alles täuschte, würde er es mir persönlich verraten.
KIRAN
Kiran streckte die Hand in die Gischt des Sturzbaches. Das Wasser rauschte weiß schäumend durch eine Felsspalte. Noch nie hatte
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