Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
ermöglichen, ebenfalls abzuhauen!«
»Damit unterschreibst du ihr Todesurteil. Ruslan wird jeden jagen, der den Konvoi verlassen hat, und sie können sich nicht vor ihm verbergen oder mit Magie verteidigen. Du hast Angst um sie, ich verstehe das, aber sie können die Begegnung nur überleben, wenn sie hier bleiben und nichts wissen.«
Dev fuhr sich durch die Haare und blickte Kiran drohend an. »Dann hoffe, dass du damit richtig liegst. Harkens Tod hast du dir schon aufs Haupt geladen. Denk nicht, dass ich das vergesse.«
»Das vergesse ich schon selbst nicht«, erwiderte Kiran voller Gewissensbisse.
»Übrigens war das kein Scherz, was ich vorhin über Pello gesagt habe. Er denkt, du wolltest ihn töten, und ist darüber nicht glücklich. Er hat dich durchsucht, als du bewusstlos warst. Ich habe ihn dabei erwischt. Hoffe, dir fehlt nichts Wichtiges.«
Pello war inzwischen Kirans geringste Sorge. Dennoch griff er an sein Amulett. Glühende Kraftlinien zogen feine Spiralen vor seinem inneren Auge. Das Muster war intakt, die Kräfte flossen ungehindert. »Ich trage nur das eine Amulett. Es wurde nicht manipuliert.«
Devs finstere Miene hellte sich kein bisschen auf. »Pack deine Sachen zusammen, aber bleib im Wagen. Wenn du jemanden kommen hörst, tu so, als wärst du noch bewusstlos.« Er zeigte auf das Amulett. »Und steck bloß dieses Ding weg!«
DEV
Bei den Göttern, ich musste verrückt geworden sein, dass ich mit einem unfähigen, verlogenen Magier zur alathischen Grenze flüchtete, während so ein Grauen erregender Scheißkerl uns mit der Begeisterung einer hungrigen Sandkatze jagte … In meinem Leben war ich schon manches verrückte Risiko eingegangen, aber das überstieg alles. Die Chance, an mein Geld zu kommen, war verschwindend gering, aber größer als Null. Mellys Schicksal lag in meinen Händen, und ich stand so tief in Sethans Schuld, da konnte ich nicht mein Versprechen brechen, bloß weil ich Schiss hatte.
Einen Vorteil hatte es allerdings, den Konvoi zu verlassen. Vor lauter Angst dachte Kiran schon nicht mehr an Pello, aber ich war nicht so dumm, die Bedrohung, die er darstellte, außer Acht zu lassen. Der Scheißkerl zeigte uns wahrscheinlich gerade bei Meldon an. Und wenn Ruslan aufkreuzte, würde Pello ihm mit Freuden helfen, uns aufzuspüren.
Bei einer einsamen Bergwanderung vor drei Jahren hatte ich eine Abkürzung über die Gipfel entdeckt, die hinter der Granatschlucht aufragten. Die Route war schwierig. Ich erinnerte mich an meilenlange steile Aufstiege über rutschigen Schotterund eine ernsthafte Kletterpartie. Und damals hatte kein Schnee mehr gelegen. Im Konvoi dürfte niemand von der Route wissen, nicht einmal Cara, und wir würden die Grenze innerhalb von Tagen erreichen; auf der üblichen Straße würde man selbst im gestreckten Galopp eine ganze Woche brauchen.
Ich dachte an Kirans eingefallene Wangen und zittrige Hände und verzog das Gesicht. Da waren Zweifel angebracht, ob er das raue Terrain abseits der Straße bewältigen könnte, und erst recht, ob er zum Klettern imstande wäre. Aber verflucht, ich würde ihn hinaufschleppen, notfalls mit roher Gewalt. Wenn er wirklich so verzweifelt nach Kost wollte, würde er es irgendwie schaffen.
Ich wühlte mich durch die Ausrüstung und warf das Nötige nach draußen: ein Kletterseil, Eispickel, Ersatzschnur, kurze Seilstücke, um ein Klettergeschirr zu knüpfen, einen Satz Feuersteine, dicke Kleidung, Proviant, Wasserschläuche … Der Haufen wuchs. Ich schnappte mir unseren größten Rucksack und sprang vom Wagen.
Da überraschte mich eine ausdruckslose Stimme von hinten. »Was hast du vor, Dev?«
Scheiße! Ich ballte die Fäuste um die Rucksackriemen und drehte mich um. Cara stand just außerhalb des Lichtkreises meiner Laterne.
Ich hatte mich darauf verlassen, den Hufschlag ihres Pferdes zu hören und mein Tun noch schnell vertuschen zu können. Ausgerechnet heute war sie mal zu Fuß unterwegs. Die Brudermörder-Besteigung hatte unsere Freundschaft beschädigt; meine Flucht würde sie gänzlich zerstören. Feigling, der ich war, hatte ich gehofft, längst fort zu sein, wenn sie unser Verschwinden bemerkte, damit ich ihr nicht in die Augen zu sehen brauchte.
Vielleicht ließ sich der Moment der Wahrheit ja noch hinauszögern. »Kellan ist zu sich gekommen, und die Lawine hat ihn derart aufgewühlt, dass er jetzt nur noch Angst hat, gleichkönnte uns die nächste treffen, während der Konvoi hier steht. Ich
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