Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
dachte, ich nehme ihn über Nacht auf Erkundung mit, damit er auf andere Gedanken kommt. Wir müssen sowieso in Erfahrung bringen, wie es vor uns aussieht.«
»Lass es, Dev. Lass es einfach sein. Für wie dämlich hältst du mich? Du hast da genug Proviant für eine Woche. Du willst den Konvoi verlassen, wenn wir dich am meisten brauchen.« Ihr Ton war weiterhin ausdruckslos.
»Ich habe gute Gründe …!« Ich schluckte die Wahrheit hinunter, die mir auf die Zunge drängte. Caras Leben war mir teurer als unsere Freundschaft.
Sie trat in den Lampenschein und offenbarte die heillose Wut, die sie aus ihrem Ton herausgehalten hatte. »Gute Gründe! Zur Hölle mit dir, Dev. Der Brudermörder war schon übel genug, und jetzt das! Ist dir der Gewinn aus deinem Schmuggelgeschäft wirklich wichtiger als alles andere?«
Ich erschrak und starrte sie sprachlos an. In ihren blauen Augen sah ich Wut und Verachtung miteinander ringen.
»Hast du wirklich geglaubt, ich wüsste nichts von deinem Nebenverdienst? Ich habe ein Auge zugedrückt, weil ich weiß, wie es in Ninavel läuft. Wenn du es nicht wärst, dann jemand anderer. Besser du, dachte ich, weil ich überzeugt war, die Sicherheit des Konvois würde für dich immer an erster Stelle stehen.« Sie richtete einen vielsagenden Blick auf die Vorräte am Boden. »Aber da habe ich mich wohl gründlich getäuscht.«
»Cara, ich …«
Sie übertönte mich einfach. »Was, du denkst, du machst dich besser auch aus dem Staub wie Pello, weil du glaubst, deine Schmuggelware beschwört den Zorn eines Magiers auf dein Haupt? Es wird heißen, dass du sein Komplize bist und ihr beide uns die Lawine beschert habt. Tja, ich würde sogar beipflichten, wenn ich nicht gesehen hätte, wie ihr aufeinander losgegangen seid.«
»Moment mal, was? Pello – wie bitte?« Ich glotzte sie an und überlegte, ob ich mich verhört hatte.
»Vor zwanzig Minuten ist er mit meinem Pferd abgehauen. Ist zum Becken runtergaloppiert, als wären die Dämonen der Hölle hinter ihm her. Er hat das Schneefeld unterhalb des Lawinenkegels nach Westen überquert. Meldon befahl, ihn ziehen zu lassen, meinte, wir wären ohne ihn sicherer. Er ist überzeugt, dass die Lawine auf Pellos Konto geht, weil er einem Magier was gestohlen hat, und dass er nach Alathien flüchtet, um seine wertlose Haut zu retten.«
Oder um sein Wissen über Kiran den Alathern zu verkaufen. Scheiße. Ruslan würde ihn vielleicht vorher schnappen, um ihn zu befragen, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen.
Caras Miene wurde angespannter, ihre Lippen schmaler. »So, wie die Kutscher reden, werden sie ihn aufknüpfen und den Geiern vorwerfen, wenn er sich noch mal in Ninavel blicken lässt. Willst du sein Schicksal teilen?«
Wieso Pello abgehauen war, verstand ich nicht so ganz. Ihm musste doch klar gewesen sein, dass man ihn für den Schuldigen halten würde. Über seine Gründe würde ich mir jedoch später Gedanken machen. Sollte er die Grenze vor uns erreichen und uns an die Alather verraten, würden wir nicht mehr nach Kost hineingelangen. Ein Grund mehr, endlich aufzubrechen.
»Hör zu, Cara, Bandenführer sind keine geduldigen oder nachsichtigen Menschen. Ich habe einen Liefertag vereinbart und muss ihn einhalten. Ich kann hier nicht tagelang warten, bis wir uns aus dem Schnee geschaufelt haben. Sobald ich in Kost bin, berichte ich den Importeuren von der Lawine. Die können Meldon Helfer und Ersatzgespanne schicken.« Zwanzig tote Gespanne, das hieß, Meldon würde immer noch allerhand Fracht verstecken müssen, nachdem er schon einiges auf die übrigen Wagen verteilt hätte. Die Handelshäuser nutzten die erlaubte Zuladung gut aus, da blieb wenig Spielraum. Unddem Konvoi stand noch der steile Anstieg zum Arathel-Pass bevor.
»Meldon braucht gerade jetzt erfahrene Vorreiter, keine Maultiere. Du redest von Vereinbarungen – was ist denn mit der Vereinbarung, die du mit dem Konvoi getroffen hast?« Cara ballte die herabhängenden Fäuste. »Was ist eigentlich los mit dir? Nur weil dich das kleine Miststück vor die Tür gesetzt hat, musst du jetzt allen beweisen, dass du genauso selbstsüchtig und kaltblütig bist wie sie? Gratuliere, das machst du großartig.«
Ich zuckte zusammen. Du selbstsüchtiges, hinterhältiges Miststück! So hatte ich Jylla kürzlich noch angeschnauzt. Als deine Behaftung ausbrannte, ist deine Seele wohl in Rauch aufgegangen! In dir ist bloß noch Asche und Gier! Dabei funkelten ihre Augen vor
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