Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
erste Blüte wuchs
Sah ich dich.
Als der erste Kranich flog
Als der erste Büffel graste
Als das erste Haus entstand
Als die erste Frau gebar
Liebte ich dich.
Als der erste Baum fiel
Als der erste Mann starb
Als die erste Mauer barst
Als das erste Reich brannte
Verlor ich dich.
Als das Land tot war und still
Als das Gras verdorrte
Als die Götter flohen
Als der letzte Titan ging
Suchte ich dich.
Wenn der letzte Stern erlischt
Wenn es kalt ist und leer
Und Finsternis herrscht
Werden wir uns finden.«
Rowarn lauschte träumend Mimis zartem Gesang, während er ihren Rücken streichelte. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, ihre Hand lag auf seinem Nabel, und er spürte die Kraft, die von ihr auf ihn überging. Er schöpfte gierig aus ihr.
»Glaubst du, dass die Finsternis siegen wird?«, fragte er leise.
»Gríadan sagt, der Traum wird enden«, wisperte sie. »Es gibt nur einen, so viel weiß Gríadan, der dies verhindern könnte. Er ist schon unter uns im Traum, doch trotzdem bietet auch er nicht mehr als eine vage Hoffnung. Niemand kann vorhersagen, was geschehen wird, denn da ist immer noch der Schwarze Herr des Flammenthrons, und er ist unberechenbar. Mehrmals hielt man ihn für tot, doch er kehrte immer wieder zurück.«
»Ich glaube, Femris will ihm den Weg hierher ebnen, damit Waldsee zur Bastion der Finsternis wird«, murmelte Rowarn.
»Das ist gewiss, sagt Gríadan. Sollte es tatsächlich geschehen, wird es den Untergang beschleunigen, befürchtet er, und noch ist der Eine nicht so weit, sich der dann erwachenden Schlafenden Schlange zu stellen. Doch wenn es wirklich endet, werden wir es nicht mehr wissen, weil unsere Lebenszeit längst vergangen ist, und das mag ein Trost sein.« Sie lachte sanft. »Ich brauche nicht ängstlich zu sein, denn ich bin nur ein Mensch, und Gríadan spricht von Jahrtausenden. Jahrtausende immerhin dauert nun auch schon der Krieg um das Tabernakel.«
»Du bist nicht nur ein Mensch«, widersprach er. »Wenn du hier in Grinvald lebst, musst du etwas Besonderes sein, ebenso dein Vater und deine Brüder.«
»Wir sind lediglich Diener.« Sie küsste seine Brust. »Du kannst nicht bleiben, nicht wahr? Nicht einmal ein paar Tage?«
»Nein, Mimi. Ich denke, du weißt, warum.« Er drehte sie auf den Rücken und drängte sich an sie. »Aber diese Nacht bin ich hier«, wisperte er an ihrem Ohr. Sein Hunger, erst einmal erwacht, konnte nicht so schnell gestillt werden. Mimi seufzte hingegeben, als er erneut in ihre Wärme eintauchte.
Kurz vor dem Morgengrauen entschlüpfte sie nach einem letzten Kuss seinen Armen, und Rowarn schlummerte ein, ohne Traum und Angst.
Angmor saß bereits in der Küche, als Rowarn gähnend erschien und einen guten Morgen wünschte. Durch das geöffnete Fenster drang Tomis kindliche Stimme herein; er spielte draußen und sang dabei einen fröhlichen Reim.
»Sind wir allein?«, fragte der junge Ritter, während er Kräutertee eingoss, ein Stück Brot nahm und sich herzhaft aus dem Honigtopf bediente.
»Ja, sie haben alle zu tun. Unter anderem satteln sie unsere Pferde«, antwortete der Visionenritter. »Ich habe mich gestern noch lange mit Gríadan unterhalten, und gemeinsam gelang es uns, einen kleinen Blick in die Zukunft zu werfen. Mit dem Ergebnis, dass Gríadan nun halb versteinert daliegt und ich wieder einmal blind bin. Aber immerhin ohne Schmerzen, das ist schon ein Fortschritt.«
»Das tut mir leid«, sagte Rowarn sorgenvoll. »Ihr müsst Euch mehr schonen, Herr. Es kann nicht mehr lange so weitergehen.«
»Wir sind bald in Farnheim, da habe ich Schonung genug«, versetzte Angmor. »Ich weiß nicht, ob meine Sehkraft heute noch zurückkehrt, aber der Weg ist nun einfach. Mimi hat sich angeboten, uns zur Handelsstraße zu bringen, und dann müssen wir dieser immer nur folgen.«
»Und was habt Ihr und Gríadan gesehen, Herr?«
»Nichts Gutes, leider. Wir haben einen langen, schweren Kampf vor uns, dessen Ausgang ungewiss ist. Alles ist in ständiger Bewegung, die Bilder verschwommen, weil noch einige Entscheidungen fallen müssen, die erst über den Fortgang bestimmen werden. Und es ist ein Verräter unter uns.«
Rowarn horchte auf. »Ja, Gonarg, der sich bei Noïrun als Ragon eingeschlichen hat.«
»Nein, der ist es nicht. Ein anderer.« Angmor machte eine abwägende Geste. »Er wird unter denjenigen sein, die sich in Farnheim zusammenfinden. Es wird schwer sein, ihn zu entlarven. Falls es uns überhaupt rechtzeitig
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